Susie Reinhardt, eine Verwandte des Gitarristen, zeigt mit der CD “Django's Spirit“, wie der Sinti-Swing bis heute Künstler inspiriert.

Hamburg. Django war einfach da. "Das waren die Platten, die bei uns zu Hause liefen", erinnert sich die Hamburgerin Susie Reinhardt. "In den 60ern hatte man ja noch diese alten Musiktruhen. Löwe Opta." Auf diesem Klangmöbel spielte ihr Vater Aufnahmen von Django Reinhardt, einem entfernten Verwandten - und einem der legendärsten Jazz-Gitarristen der Welt, der am Sonnabend 100 Jahre alt geworden würde. Die Journalistin, Musikerin und Teamleiterin des Frauenmusikzentrums hat zwei Jahre recherchiert, um zum Jubiläum die Kompilation "Django's Spirit" zu veröffentlichen.

Warme, brüchige, sehnsuchtsvolle Melodien waren es, die sie als Mädchen im Wohnzimmer in der Hamburger Gärtnerstraße hörte. Ein unverwechselbarer Stil, der aus einem Unglück resultierte.

Als Sohn fahrender Schausteller aus dem Volk der Sinti kommt Django am 23. Januar 1910 in einem Zirkuswagen in Belgien zur Welt. Die Eltern lassen ihren Sohn zwar unter dem Namen Jean Reinhardt eintragen, nennen ihn aber Django, übersetzt "Ich erwache". Seine künstlerische Erweckung erlebt er früh - allerdings in wenig romantischer Atmosphäre im Pariser Elendsquartier La Zone. Dort lässt sich der Zehnjährige von der musizierenden Sinti-Verwandtschaft inspirieren. Mit zwölf erhält er ein Banjo - und imitiert, übt, experimentiert. Ein Autodidakt, der keine Noten lesen kann, nicht einmal Worte. Erste Engagements in Bands folgen, mit denen Django in den "Bals Musette" aufspielt, den nach dem französischen Walzer benannten Tanzhallen. Doch die Laufbahn wird am 28. Oktober 1928 jäh unterbrochen.

Djangos Wohnwagen geht nachts in Flammen auf, er kann sich nur knapp retten. Seine linke Hand ist stark verbrannt. Doch Django kämpft - und kreiert eine neue Grifftechnik. Für Akkorde nutzt er den intakten Daumen sowie eingeschränkt Ring- und kleinen Finger. Ironie des Schicksals: Der Stil, den er mit seiner verkrüppelten Hand intoniert, soll ihn berühmt machen. In den 30er-Jahren lernt er nicht nur US-Jazz von Duke Ellington und Louis Armstrong kennen, sondern auch Geiger Stéphane Grappelli, mit dem er das Quintette du Hot Club de France gründet und die Melange des Sinti-Swing entwickelt.

"Was mich an der Musik immer wieder begeistert, ist weniger die Virtuosität als eine Gleichzeitigkeit von Traurigkeit und Lebensleichtigkeit", sagt Susie Reinhardt. Unterhaltsam erzählt sie Anekdote um Anekdote - mit warmer, dunkelrauer Stimme, die bestens passt zu den theatralen Geschichten um diesen Ausnahmemusiker.

Ihre CD "Django's Spirit" enthält neben dem Original mit "Bouncin' Around (Rhythm in G Minor)" zahlreiche Künstler, deren Sound vom Star des Sinti-Swing beeinflusst wurde. Neben weiteren Nachfahren wie Dotschy und David Reinhardt sind Electro-Varianten ebenso zu hören wie tschechischer Rap. "Ich wollte mit der CD auch etwas Integrierendes zeigen: Sinti, Nichtsinti, egal. Wer diese Musik liebt und sich in Djangos Geiste berufen fühlt, der soll sie spielen." Auch wenn sich Susie Reinhardt, die Gitarre und Schlagzeug spielt, in ihren Bands eher für Rock, Punk, Soul und Country als für die Sinti-Jazz-Klänge der Kindheit begeistert, verbindet sie doch eine Parallele mit Django: "Ich lerne eher durch Ausprobieren."

Mit ihrer aktuellen Gruppe, dem Frauen-Trio Hoo Doo Girl, lädt sie zu Djangos Ehren am 30. Januar zu einem Tribute-Abend in den Pudel-Klub. Mit der Garagen-Soul-Kombo hat sie für ihre CD das Stück "La Recherche De Django Reinhardt" komponiert. Der Song erzählt die Geschichte einer Frau, die einen Gitarrenlehrer sucht, der ihr Sinti-Swing beibringt - "mit den schönen Tönen und den berührenden Harmonien". Mit dieser zarten wie impulsiven Musik verewigte sich Django während seines nur 43 Jahre dauernden Lebens in mehr als 100 Songs. Ein Ruhm, der ihn im Krieg auch vor den Nazis schützte.

Susie Reinhardts Vater hatte weniger Glück: Er durchlebte drei Konzentrationslager. Gesprächsthema war der berühmte Verwandte ausgerechnet aufgrund dieser Vergangenheit kaum. "In den 60ern und 70ern war der Holocaust noch sehr nahe. Meine Eltern haben Wert darauf gelegt, dass man nicht erkennt, dass wir Sinti-Verwandte haben", erzählt Reinhardt. Die Angst, auf alte Nazis zu treffen, steckte zu tief. Aber mit der Musik, da war er im Wohnzimmer zu Gast, der Spirit von Django.

"Django's Spirit" : Vö 22.1. (Trikont). Release-Konzert mit Hoo Doo Girl und Mama Rosin's Frères Souchet: 30.1., 19 Uhr, Pudel, Fischmarkt 27; 7 Euro. 100 Jahre Django : 23.1., 18 Uhr, Hadley's, Beim Schlump 84