Wissen Sie noch, was Sie mal werden wollten, wenn Sie groß sind? Mein erster Berufswunsch war: Piratenjenny. Ich war fünf und davon überzeugt, dass es diese Laufbahn gäbe; stand doch schließlich in den Büchern, die mir der Vater immer vorlas. Ich wollte die Welt umsegeln, die Bösen berauben, um den Netten zu geben, nie zur Schule gehen und niemals wieder Zimmer aufräumen.

Ich hatte ihn vergessen, den Kindertraum. Aber dann sprach mein Patensohn Malcolm mit der Kraft einer unverbildeten Seele das erste Mal aus, was er werden will, wenn er groß ist: Weltgärtner. Er hat vor, um die Welt zu reisen und den Menschen, die er mag, einen Garten anzulegen. Dort sollen auch alle Tiere und Pflanzen wohnen, die woanders keinen Platz haben. Das Ganze für ein symbolisches Honorar von einem Euro. Nach und nach würde alles zusammenwachsen, bis die ganze Welt ein Garten ist.

Wie frei und weise doch Kinder sind! Was ich an ihnen bewundere, ist, dass sie bis zu einem gewissen Punkt ganz sicher sind, die Hauptfigur in ihrem eigenen Leben zu sein. Sie sind so überzeugt, dass alles, was sie sich wünschen, wahr werden könnte, sie alles sein können, was oder wer sie wollen. Weltgärtner, Polizeihund, Tiersprachenübersetzer, Puppenhausarchitektin. Sie haben den festen Willen, sich glücklich zu machen. Sie sind das absolute Gegenteil eines resignierten Erwachsenen, der sein Leben nicht so lebt, wie er es will. Frei von Profilierungssucht, frei von Duckmäusermentalität. Frei.

Aber dann. Dann kommt der gewisse Punkt. Die Unfälle mit der Realität ruinieren die Träume, das Wissen ersetzt die Hoffnung - ein Euro reicht nicht zum Leben, bei der Hundestaffel nehmen sie nur vierbeinige Zehengänger, mach erst mal dein Abitur und siebzehn Praktika für lau und dann Karriere, denk auch an die Rente und was die Nachbarn von dir halten. Erwachsenwerden ist eine Reise, auf der die Abschiede von Träumen häufiger sind als das Ankommen.

Neulich stand ich bei Pappnase an den Karnevalskostümen und kaufte verträumt eine schwarze Augenklappe. Irgendwo in mir segelt sie noch über unendliche Ozeane, die Piratenjenny, und alle Ufer sind ein Garten.

Mit Teufelsg'walt Der achte Fall von Lisa Nerz führt in das Labyrinth von Behördenwillkür und dem Geschäft mit dem Kindswohl; Krimilesung mit Christine Lehmann, Fr 29.1., 19.30, Speicherstadtmuseum (U Messberg), St. Annenufer 2, Karten (9,50/7,50) unter T. 32 11 91; www.kultours-hamburg.de

Nina George schreibt jede Woche in LIVE und liebt Hamburg.