Tanja Becker-Bender hat schon früh eine verblüffende Perfektion und spielerische Reife erreicht. Gelernt hat sie auch von ihrer Geige.

Hamburg. Zerbrechlich sieht sie aus, wie sie dasteht mit dem Porzellanteint und den rötlichblonden Locken. Aber ihre blaugrauen Augen scheinen ihr Gegenüber sofort zu erfassen. Und spätestens am Händedruck merkt man: Tanja Becker-Bender weiß, was sie will. Sonst hätte die junge Geigerin nicht so eine steile Karriere hingelegt.

Nach einer kurzen, freundlichen Begrüßung übernimmt sie die Führung durch das Betonlabyrinth der Hannoveraner Musikhochschule. Die Reporterin darf Becker-Bender und dem Pianisten Markus Becker dabei zuhören, wie sie die Sonate für Violine und Klavier d-Moll von Robert Schumann proben. Ein seltenes Zugeständnis - normalerweise scheuen Künstler bei solchen Proben jede Öffentlichkeit. Am Sonnabend spielen die beiden (sie sind weder verwandt noch verschwägert) die Schumann-Sonate im Kleinen Saal der Laeiszhalle; außerdem stehen Werke von Johannes Brahms, Johann Sebastian Bach und György Kurtág auf dem Programm.

Wie angewachsen sieht die Geige an Tanja Becker-Bender aus, so natürlich bewegt sie sich. Ihr feinnerviges und energiegeladenes Spiel passt zu ihrer Gestalt. Selbst die virtuosesten Passagen scheinen ihr keine Schwierigkeiten zu bereiten. Keine Zäsur, kein Crescendo überlässt sie dem Zufall. Sie raut die Oberflächen auf und legt das Beunruhigende, Brüchige an der Musik frei.

Tanja Becker-Bender ist kein Geigen-Girlie. Dazu ist die 31-Jährige eine zu eigenwillige Künstlerin. Aber sie gehört zu jener Generation von Geigerinnen, die in jungen Jahren eine verblüffende spieltechnische Perfektion und musikalische Reife erlangt haben. Sie hat sich zahlreiche Auszeichnungen bei internationalen Wettbewerben erspielt und ist als Solistin mit dem Tokyo Philharmonic Orchestra, dem Sinfonieorchester Stuttgart des SWR und dem Konzerthausorchester Berlin aufgetreten.

Ihre Gesamtaufnahme der 24 Solocapricen von Niccolò Paganini, bei Geigern ungefähr so gefürchtet wie bei Bergsteigern der Nanga Parbat, hat euphorische Kritiken bekommen. Inzwischen gibt sie Dutzende Konzerte im Jahr, seit 2006 ist sie Professorin an der Saarbrücker Musikhochschule und seit diesem Semester an der Hamburger Musikhochschule.

Becker-Bender selbst hat bei lauter ersten Geigern berühmter Streichquartette gelernt. Das ist ungewöhnlich - wer eine Solokarriere anstrebt, geht normalerweise zu Lehrern, die ihn genau darauf trimmen. In Stuttgart aufgewachsen, hatte sie als Schülerin bei Wilhelm Melcher vom Melos Quartett Unterricht, sie hat in Wien bei Günter Pichler vom Alban Berg Quartett und in New York bei Robert Mann vom Juilliard String Quartet studiert. "Sie haben mir Ernsthaftigkeit, Sensibilität und Dialogfähigkeit vorgelebt", erzählt Becker-Bender; sie spricht druckreif und so schnell, als hätten die Sätze nicht genug Platz für ihre Gedanken. "Einem Kammermusiker geschieht es oft, dass jemand, den er sehr schätzt, eine völlig entgegengesetzte Meinung hat. Durch das gemeinsame Ringen um die Musik kommt man dem Komponisten näher." Und wenn sie ein Solowerk spielt, mit wem ringt sie dann? Sie lacht. "Mit der Musik!"

Gelernt hat Becker-Bender auch von ihrer Geige. 2002 gewann sie zum fünften Mal den Instrumentenwettbewerb der Deutschen Stiftung Musikleben und bekam eine Geige aus dem Deutschen Musikinstrumentenfonds, die es mit einer Stradivari aufnehmen kann: die Guarneri del Gesù "Blue de Brasil" aus dem Jahre 1728. "Diese Geige ist für mich wie meine eigene Stimme", sagt Becker-Bender. "Sie hat unendlich viele Klangfarben und auch in der Höhe eine große Wärme. Sie hat keine gestalterischen Grenzen. An ihr habe ich mein eigenes Klangideal entwickeln können. Dafür bin ich der Stiftung unendlich dankbar."

Der Wert der kostbaren Geige bereitet Becker-Bender keine schlaflosen Nächte. "Ich arbeite doch täglich mit ihr, da denke ich nicht dauernd an den Wert. Wenn ich so eine Menge Geld mit mir herumtrüge, dann wäre ich wirklich hibbelig!", sagt sie und lacht.

Dieses Semester pendelt sie noch zwischen Berlin, wo sie lebt, Saarbrücken und Hamburg. Mit den vielen Reisen und der nicht eben natürlichen Geigenhaltung kommt Becker-Benders Rücken gut zurecht. Das ist unter Geigern eher die Ausnahme. "Ich habe beim Spielen immer Ausgleichsbewegungen gefunden", sagt sie. Yoga hilft ihr dabei, und sie joggt gerne - wenn sie die Zeit hat. "Ich habe so einen schönen Unterrichtsraum in der Hochschule, mit Blick auf die Alster!", erzählt sie. "Wenn ich da die Jogger laufen sehe, sogar im Dunkeln mit Stirnlampe, dann denke ich, irgendwann schaff' ich das auch noch."

Tanja Becker-Bender, Markus Becker Sonnabend, 19.30 Uhr, Laeiszhalle, Kleiner Saal. Der Eintritt kostet 10,- bis 29,-