Hamburg. "Deportiert nach Riga: 6.12. 1941" - der Stolperstein vor der Talmud Tora Realschule am Grindelhof erinnert an den letzten großen Rabbiner in Hamburg, Dr. Joseph Carlebach. "Man soll ja nicht nur über die Gedächtnis-Steine stolpern, sondern weiterstolpern in die Geschichte und Schicksale der Menschen hinein, das ist für mich der beste Umgang", meint Michael Batz. Der Regisseur und Theaterleiter fragte sich, was denn in Riga geschehen war.

Er stieß auf den Transport, der am 6. Dezember 1941 vom Hannoverschen Bahnhof 753 Hamburger nach Lettland brachte. Batz hatte das Thema für sein 12. Dokumentarstück über den Holocaust in Hamburg gefunden. "Nach Riga", sein Sprechoratorium mit Liedern und Igor Zellers Musik, wird am 27. Januar im Festsaal des Rathauses mit Unterstützung der Hamburgischen Bürgerschaft uraufgeführt. Es lesen und singen Isabella Vertés-Schütter, Marion Martienzen, Michael Bideller und Peter Franke.

Batz' Dokumentarstücke zeichnen sich durch umfangreiche Recherche und strenge Textgenauigkeit aus. "Kein Wort stammt von mir", sagt der Autor. "Alle Stücke basieren auf den Originalaussagen von Beteiligen und Überlebenden. Im Stück verwende ich keine Fachliteratur, mein Material sind die Quellen."

Seit Juli 2009 studierte er die Vernehmungen und Zeugenaussagen im "Maywald-Verfahren" zwischen 1947 und 1977. Der SS-Untersturmführer Gerhard Kurt Maywald kam in die Mitte 1941 von deutscher Wehrmacht besetzte Hauptstadt Lettlands. Er gehörte zur berüchtigten Einsatzgruppe A. Sie begann methodisch mit der "Endlösung". Für Deportationszüge aus Deutschland musste "Platz geschaffen" werden. In Massenerschießungen an den "zehn blutigen Tagen" vom 30. November bis 9. Dezember starben mehr als 30 000 Juden aus dem Rigaer Getto.

Da war der Zug aus Hamburg bereits unterwegs. Joseph Carlebach, seine Frau, drei Töchter und Sohn Salomon waren unter den Deportierten. Auch die Mutter des Malers und Autors Arie Goral, Frieda Sternheim. Ihre letzte Botschaft telegrafierte sie an den nach Palästina ausgewanderten Sohn: "Im Begriff zu wandern. Sende innigste Grüße - Mutter." Auch Olga Wolf und ihr kleiner Sohn Dan aus der legendären Hamburger Volkssänger-Familie ("Der Jung' mit'n Tüdelband") fuhren in Richtung des Auffanglagers und SS-Gutes Jungfernhof. Sie sollten nicht mehr wiederkehren.

Nur etwa 30 Hamburger haben die grauenhaften Lagerzustände bei 30 Grad unter null überlebt. "Es kommt mir auf einen Juden nicht an. Ich habe schon Hunderte von Juden erschossen und auf dem Gewissen", prahlte Kommandant Rudolf Seck aus Heide, einer der "Bluthunde von Lettland". Oft lagen die erfrorenen Leichen mehrere Tage in den Baracken-Gestellen, auf denen die Häftlinge schlafen mussten.

Vom Abtransport bis zum letzten Todesmarsch verfolgt und dokumentiert Batz in seinem Stück "Nach Riga" den Leidensweg der Hamburger durch die Konzentrationslager Kaiserwald und Stutthof bis zur Befreiung. "Ich erzähle die Geschichte, wie sie in den Berichten steht", betont er. Doch er bringt diese dramaturgisch in Form. "Die Texte sind in sachlicher Protokoll-Sprache überliefert, aber die Ereignisse gehen doch viel tiefer und sollen die Zuhörer nicht nur informieren, sondern auch berühren." Batz' Kunst besteht in der dramaturgischen Komposition der Stimmen und Zitate.

Und der Darstellung von menschlichem Handeln in unmenschlichen Verhältnissen. Joseph Carlebach, berichtet die Mitgefangene Gertrud Stern, habe bei der Ankunft in Riga mit Seck noch auf dem Güterbahnhof verhandelt und erreicht, dass nicht alle Hamburger sofort erschossen wurden.

Nach Riga 27.1., 18 Uhr, Festsaal des Rathauses, Eintritt frei, Anmeldung erbeten unter Tel. 42 83 10.