Wenn frei laufende Eisbären auf einer Pazifikinsel möglich sind und finstere Rauchwolken mit düsterem Charakter, warum dann nicht auch Tote, die wieder lebendig werden können sollen und Zeitsprünge in beliebige Richtungen? Die Drehbuchautoren von "Lost" verschwenden jedenfalls keinen Gedanken daran, Logiklöcher zu umgehen. Seit ein paar Dutzend Touristen 2004 durch den Absturz von Flug Oceanic 815 auf ein Albtraum-Eiland abgeworfen wurden, wurde von J. J. Abrams nichts ausgelassen, um mit "Lost" ein Universum aus Absurdem, Kryptischem und Andeutungen zu erbauen. Es gibt verhängnisvolle Zahlen, viele der Figuren sind nach Philosophen oder Wissenschaftlern benannt. Der Kleingruppen-Kümmerer Jack trägt nicht versehentlich den Nachnamen Shepard, also: Hirte. Das alles muss man von Anfang an gesehen haben, um den Überblick zu behalten. Für Folgediskussionen und digitale Spökenkiekereien gibt es längst Internetseiten wie "Lostpedia", auf denen auch das kleinste Detail noch geröntgt und mit Bedeutung beladen werden kann.

Für Abrams begann mit "Lost" eine steile Karriere als Nachfolger von "Twin Peaks"-Erfinder David Lynch. Er jagte Kinozuschauer mit dem Monster-Film "Cloverfield" kamerawackelnd ins Bockshorn, durfte eine flott aufgebrezelte "Star Wars"-Fortsetzung drehen und schaffte es, mit der Geheimagenten-Mystery-Serie "Fringe" einen verschrobenen, hoch spannenden Ableger zu produzieren.

"Lost" wurde mit Preisen überhäuft, läuft in 40 Ländern, ist ein globaler DVD-Verkaufsschlager - und hat in Deutschland so lausige Quoten, dass die Serie von ProSieben zu Kabel 1 verschoben wurde. Heute läuft hier die fünfte Staffel an, in den USA startet gerade die sechste und definitiv letzte. Damit sollen alle Rätsel gelöst werden. Wer's glaubt ...