Die schnörkellose Inszenierung von Klaus Schumacher erzählt beispielhaft von der zerstörerischen Kraft der Ideologien.

Hamburg. Noch einmal "Romeo und Julia". Shakespeares wohl bekanntestes Drama war in den letzten Jahren in Hamburg nicht eben selten zu sehen. Andreas Kriegenburg zeigte hautnah seine unter die Haut gehende Kammerspielfassung im Thalia in der Gaußstraße. Jana Schulz und Robert Stadlober stürmten unter Tom Stromberg am Schauspielhaus Hals über Kopf in den Liebestod. Jetzt sind es Julia Nachtmann und Aleksandar Radenkovic - seit "Kabale und Liebe" das jugendliche Traumpaar im Kirchenallee-Ensemble. Mit ihrer genauen, dabei unverstellten, vielleicht schon etwas zu selbstbewussten Charakterisierungskunst gelingt es den beiden wiederum, sich ins Zentrum der Inszenierung von Klaus Schumacher zu spielen.

Auf der Schräge im aufgerissenen dunklen Bühnenraum steht ein schwarzer Kubus. Zum Prolog gibt er den Blick frei auf sich im Kampf windende Körper in der "Schlangengrube". Ein Bild wie aus dem Tanztheater. Die blutsaugerische Brut der bleichen jungen Männer verkörpert den Hass. Er entzweit die Familien Capulet und Montague, zwischen deren Fronten die Liebenden geraten. Er bringt auch Ideologien oder Glaubensgemeinschaften bis zu gegenseitiger Zerstörung auf. Nicht zufällig ähneln die Knaben mit akkuratem Seitenscheitel und kurzen Hosen HJ-Pimpfen. Und mit dem Kubus könnte auch die Kabbala gemeint sein.

Katrin Plötzkys sich hebende und senkende Holzkasten-Installation dient jedoch vor allem als zweite Bühne auf der Bühne. Sie wird zu Julias Kammer, zum Bett, Liebesnest, schließlich zum Katafalk. Und fordert in der Balkonszene Akrobatik vom verliebten Helden: Romeos "Klimmzug-Kuss" erhält Spontanapplaus.

Der Regisseur streicht Figuren, kürzt radikal die Textbearbeitung von Wolfgang Wiens und Sven Eric Bechtolf für dessen Thalia-Inszenierung 1997. Statt der Dialoge lässt Schumacher die Spieler ohne Worte agieren - wie beim Blödeln in der Verkleidungsszene oder im Party-Bild. Trifft Romeo auf Julia, haut es ihn buchstäblich um und hinunter ins Parkett: Der "Narr des Glücks" hat die "Colombine" seines Lebens gefunden.

Aus dem Maskenspiel wird Ernst.

Komik in die Tragödie bringen der tobende Papa (Jürgen Uter), Hedi Kriegeskottes skurriler Glatzkopf Pater Lorenzo und Irene Kuglers aufdringliche Quasselstrippe von Amme. Schumacher schenkt sich den Klamauk mit deren Diener wie auch die Mercutio-Tiraden: Tristan Seith ist ein übergewichtiger Raufbold, der nicht von Träumen faselt, sondern sich einen Waschbrettbauch wünscht. Martin Wißners geckenhaftem Fanatiker Tybalt fehlt noch die kalte innere Glut und Wut. Sören Wunderlichs Benvolio gelingt mit Romeo beim Bericht von Julias Tod eine der klug aufgebauten und gesteigerten "Schock-Szenen". Gefühlsausbrüche folgen erst nach dem Begreifen der Schreckensbotschaften.

Indem Schumacher das sprachverliebte Schauspiel auf den Boden des Realismus holt, beraubt er es bisweilen des romantischen Zaubers. Seine Inszenierung gewinnt aber durch strenge Form. Von Schumachers Shakespeare-Inszenierungen ist "Romeo und Julia" - nach "Was ihr wollt" und "Hamlet" - am klarsten ausgefallen. Dicht, bildstark und ohne überflüssige Schnörkel.

Er vermeidet auch, die bildlichen Assoziationen zum Hass allzu platt zu zeigen - egal ob ihn die Indoktrination von Familienhäuptern, Religions- oder Staatsführern verursachen mag. Seine Sicht der Geschichte und der Figuren macht neugierig, vermag auch - dank der intensiven Hauptdarsteller - nicht nur jugendliches Publikum zu interessieren und emotional zu packen. Das Wiedersehen lohnt.

Romeo und Julia 18., 22., 30.1. und 6., 9.,18.2. Detsches Schauspielhaus, Kirchenallee 39, Karten unter T. 24 87 13

Eine Fotostrecke zur Inszenierung am Schauspielhaus sehen Sie unter www.abendblatt.de/romeo-und-julia