Berlin. Auch wenn das etwas altmodisch klingen mag: An ihr fiel vor allem auf, dass sie stets frohen Sinnes war. Katharina Rutschky war eine Linke, doch ihr fehlte ganz und gar jene Griesgrämigkeit, die viele Linke in Deutschland mit sich herumtragen.

Geboren 1941 in Berlin, studierte sie - früh von den damals fast noch verfemten Büchern der Frankfurter Schule angezogen - Pädagogik. Ihre erste große Publikation war die monumentale Dokumentensammlung "Schwarze Pädagogik", in der sie die dunkle Seite der Geschichte der Kindererziehung dokumentierte: Erziehung als Abrichtung, als Gewalt, als Abtötung und Austreibung von Fantasie und Sinnlichkeit.

Wie sie immer wieder herausgestrichen hat, erlebte sie die Bewegung von 1968 als Befreiung. "Wir kriegten Luft unter die Flügel", sagte sie und meinte: Endlich gab es einen Ausbruch aus der verhockten deutschen Innerlichkeit. Sie gehörte zu denen, die Salingers "Fänger im Roggen" mit dem Gefühl der Emanzipation lasen. Wie alle 68er kritisierte sie den von den USA geführten Vietnam-Krieg - anders als bei vielen anderen war da aber keine Spur von Antiamerikanismus beigemengt. Sie vergaß nie, dass es auch Amerika war, das die Deutschen befreit hatte, dass uns Amerika die Freiheit gelehrt hatte und dass wir arm aussähen, hätten wir uns weiter der lange verfemten amerikanischen Kultur verschlossen.

Bekannt wurde sie - um einem ausgeleierten Wort einmal Sinn zu geben - als streitbare Publizistin. Sie ging dem Konflikt nicht aus dem Wege, es sorgte sie nicht, wenn sie der großen Karawane fern blieb. Als vor Jahren Kindermissbrauch ein großes Thema war, hatte sie den Mut, vor hysterischem Umgang mit dem Thema zu warnen - was regelmäßig dazu führte, dass sie bei öffentlichen Veranstaltungen dazu ausgepfiffen und tätlich angegriffen wurde. Katharina Rutschky, eine wahrlich emanzipierte Frau, stand der Frauenbewegung recht skeptisch gegenüber: Immer wieder sagte sie, es solle doch bitte darum gehen, die sexuelle Differenz zu kultivieren, nicht zu zensieren. Und als es längst üblich war, die SPD verloren zu geben, ist sie - eine treue Seele - im vergangenen Jahr der SPD beigetreten: seit 68 eine unentwegte Reformerin.

Sie war eine umfassend gebildete und belesene Privatgelehrte, die sich für ihre Texte noch Zeit nahm. Man sah ihnen an, dass ein ganzes Bildungs- und Leseleben dahinter stand. Ihre Gegnerschaften pflegte sie mit Nachdruck, ein Peter Sloterdijk war und blieb bei ihr unten durch. Sie kultivierte ihre Vorliebe für Hunde, die sie stets begleiteten, das Buch "Hundeleben" widmete sie dieser Passion. Sie war das, was in Deutschland so selten ist: eine humorvolle Linke - man hätte sie sich gut in intellektuellen Zirkeln an der amerikanischen Ostküste vorstellen können: gesellig, ab und an spöttisch, dem Klatsch nicht abgeneigt und scharf in der Analyse.

Am 14. Januar ist Katharina Rutschky, die mit ihrem Mann Michael Rutschky seit Jahrzehnten wieder in Berlin lebte, nach langer Krankheit gestorben.