Es ist wie mit dem einen Schmetterlingsflügelschlag zu viel und dem Sturm danach irgendwo über China. Winzige Ursachen, katastrophale Wirkungen. Keine Krise ist groß genug, um nicht mal ganz klein angefangen zu haben. Die stolperte sich dann hoch, und am Ende will es natürlich wieder niemand gewesen sein.

Krise, das sind doch immer die anderen, denken sich auch die drei Hauptfiguren in Kristof Magnussons Roman "Das war ich nicht", als noch alles halbwegs gut für sie aussieht. Was sich dann aber sehr schnell ändert.

Der Deutsch-Isländer aus Hamburg gönnt sich den transatlantisch angelegten Spaß, die Lebensläufe eines amerikanischen Star-Autors und seiner Hamburger Übersetzerin mit den Tolpatschigkeiten eines überforderten Derivatehändlers zu verknoten. Drei Ich-Erzähler berichten davon, wie sie von einem Kursverlust zum nächsten taumeln. Die kleine Portion Insider-Wissen dazu: Als Magnusson die Idee zu seinem zweiten Roman nach "Zuhause" hatte, war Lehman Brothers noch eine Bank wie viele andere und kein Auslöser für ein globales Finanzdesaster.

Bei Henry LaMarck, einem schnieken Pulitzerpreisträger, klemmt der nächste Roman, auf den sein Verleger und der Rest der literarischen Welt warten. Dummerweise hatte er ihn aber schon als Jahrhundertwurf angekündigt. Heike Urbanski, die wiederum auf das Manuskript wartet, das sie über Wasser halten soll, ist auf der Flucht aus ihrem Leben. Warum? Auch darum: "Eines der mit uns befreundeten Paare, Gösta und Regine, hatte mit einem Hund angefangen, den sie Leander nannten, worauf Lars und Sabine mit einem Kind konterten, das sie Friedrich nannten."

Urbanski flieht also vor dem Himalaja-Salz und den Weinsarkophagen ihrer geldgesättigten Schanzenviertel-Bekannten und ihrem malenden Freund, sie landet am Rande des Nichts und der Pleite in einem nordfriesischen Kaff. Und Jasper Lüdemann, jung, hungrig und betriebsblöd, tritt an seinem Zocker-Terminal von Rutherford & Gold in Chicago aus Versehen mit ein paar Mausklicks zur falschen Zeit eine Krise los, die an die Katastrophenlawinen von Inspektor Clouseau erinnert. Um die Sache noch komplizierter zu machen, verlieben sich zwischenzeitlich auch noch einige der handelnden Personen ineinander.

Für HSH-Banker oder übergeordnete Politiker mit schwachen Nerven und wenig Sinn für lakonischen Humor auf eigene Kosten wäre dieses Buch sehr toxisches Papier. Der literaturgewordene Blick in den Spiegel ist nun mal nicht immer schön. Für alle anderen ist "Das war ich nicht" trotz der zunehmenden Plot-Schwächen Richtung Zielgerade ein lohnendes Zeitinvestment.

Kristof Magnusson "Das war ich nicht". Verlag Antje Kunstmann, 282 Seiten, 19,90 Euro.