Hamburg. Der Titel ist Programm, für die Musiker und die Tänzer: Rihms "Jagden und Formen" spielt mit den enormen Möglichkeiten von Klanggestaltung. "Bewegen und bewegt sein", das wolle er für sich mit seiner Musik erreichen. Sasha Waltz' großartige Tanztheater-Truppe, die mit der gleichen Selbstverständlichkeit Vivaldis "Vier Jahreszeiten" vergegenwärtigt hat, war dieser Absicht bei ihrer Choreografie stets dicht auf den Fersen.

Die Avantgarde-Profis vom Ensemble Modern (Leitung: Franck Ollu), die Rihms Partitur mit einer gespannten Leichtigkeit meisterten, als ginge es um eine Schulorchesterfassung von "Hänschen klein" ballten sich hinten links; das Berliner Ensemble wurde auf eine große Fläche sortiert wie Noten auf das zu füllende Blatt Papier.

Cluster aus Leibern bildeten sich, bunte Gruppen reihten sich wie auf Notenlinien zu abstrakten Gesten zusammen, flohen voreinander, wurden voneinander angezogen. Formen entstanden, Geformte drängten aus Erwartungsschablonen. Jäger hetzten sich, Gejagte atmeten am Kampnagel-Bühnenrand kurz durch, bevor die nächste Hatz begann. Um das Ideen-Konzentrat zumindest stellenweise etwas aufzulockern, hat Rihm Solo-Einlagen für Instrumentalisten geschaffen, die sich barfuß aus dem kollektiven Klangkörper herauslösen.

Sie werden wie Opfergaben auf Händen getragen, kurz vor dem ekstatischen Finale einer Tänzerin kommt es zur leibhaftigen Verschmelzung von Orchester und Ballett, als alle alle umkreisen und dann erschöpft zusammenbrechen. Ein euphorisch gefeiertes Erlebnis, das mehr war als die Summe seiner Teile.