Nach vielen Flops soll ProSiebenSat.1-Vorstand Andreas Bartl den angeschlagenen TV-Sender nach vorne bringen.

Hamburg. Sie haben sich alle Mühe gegeben, die unangenehme Personalie so gut wie möglich zu verstecken. "German Free TV Holding stärkt Programmbereiche", steht über einer Pressemeldung von ProSiebenSat.1, die Mittwochmittag verschickt wurde. Dann folgen vier Absätze, in denen es um neue Posten in der Senderfamilie geht. Erst in Absatz fünf steht die wahre News: "Guido Bolten (48) hat sich entschieden, seine Tätigkeit als Geschäftsführer von Sat.1 zum 1. Februar zu beenden."

Ein paar Stunden vorher war durchgesickert, dass Bolten, der erst vor gut einem Jahr zu Sat.1 kam, den Sender verlassen wird. Es habe massive Kritik an den schlechten Sat.1-Quoten gegeben, heißt es in Unternehmenskreisen.

Das überrascht zunächst. Der Jahresmarktanteil von Sat.1 lag 2009 mit 10,8 Prozent auf dem Niveau des Vorjahrs. Dieser Wert ist weder besonders gut noch sonderlich schlecht.

Bei genauerem Hinsehen wird allerdings klar, dass zuletzt vor allem die Übertragungen der Spiele der Europa League und der Champions League den Sender stützten. Verdient hat Sat.1 mit den Fußballübertragungen aber wohl nichts. Die Kosten der exorbitant teuren Fußballrechte lassen sich in der Regel allein durch Werbeeinnahmen nicht refinanzieren.

Fast alle anderen neuen Formate der Ära Bolten floppten. Ob Johannes B. Kerners neuer Talk, Oliver Pochers Late Night Show oder aber der Umbau des Vorabendprogramms, wo statt "Lenßen & Partner" nun die Telenovelas "Eine wie keine" und "Anna und die Liebe" laufen - nichts klappte. Zuletzt gab es für die Dokusoap "Der Wendler Clan" nicht nur schlechte Quoten. Mit dem sehr schlichten Alltags-Dramolett um die Familie von Michael Wendler, einem Schlagersänger mit herbem Proletencharme, erntete Sat.1 auch noch Hohn und Spott.

Nun soll es der Chef richten. ProSiebenSat.1-Vorstand Andreas Bartl wird sich "bis auf Weiteres", wie es in der Pressemitteilung heißt, um den Sender kümmern. Dort etwas zu bewegen, dürfte auch ihm nicht leichtfallen. Die Probleme von Sat.1 sind struktureller Natur: In den letzten Jahren wurde der Sender kaputt gespart. Informationsformate erwartet dort kaum einer mehr. Nur so ist zu erklären, dass Kerner, der beim ZDF ein Quotengarant war, bei Sat.1 nicht funktioniert.

Dass sich daran kurzfristig etwas ändert, ist nicht zu erwarten. Die Konzernmutter ProSiebenSat.1 ist mit gut 3,4 Milliarden Euro verschuldet. Für ein paar Highlights wie Kerner, Pocher und Fußballrechte ist gerade noch Geld da. Ansonsten laufen bei Sat.1 aber jede Menge Wiederholungen längst abgeschriebener Formate und billig produzierter Trash wie "Der Wendler-Clan". In diesem Umfeld ist es nicht eben einfach, Quote zu machen.

Bolten wird in der Sat.1-Geschichte als der Geschäftsführer in Erinnerung bleiben, der den Mitte 2009 abgeschlossenen Umzug des Senders von Berlin nach München über die Bühne brachte. Dabei wurden mehr als 200 Arbeitsplätze abgebaut. Seither wird der TV-Kanal zusammen mit ProSieben und Kabel 1 zentral geführt. Dem Profil von Sat.1 war dies alles nicht unbedingt zuträglich.