“Die koreanische Hochzeitstruhe“ entführt den Zuschauer mit irritierenden, ruhigen Bildern in eine völlig fremde Welt

Ob Tiefsee oder Weltall, ob asiatische Gettos oder amerikanische Luxusvillen: Der Raum für Überraschungen ist im Dokumentarfilm knapp geworden. Alles schon mal da gewesen, alles schon mal gesehen - so scheint es jedenfalls.

Aber dann kommt Ulrike Ottinger mit ihrer "Koreanischen Hochzeitstruhe", und nach einigen Minuten der Irritation über das Gezeigte stellt sich schnell große Faszination ein. Eine Faszination, die ebenso im hier gezeigten, ungeheuer ausdifferenzierten Ritual gründet wie in der Tatsache, dass sich Tradition und Moderne auf ungeahnte Weise berühren.

Nach Südkorea ist die in Berlin lebende Regisseurin gereist, um das Ritual der Eheschließung zu filmen, das mit dem Füllen der titelgebenden Hochzeitstruhe beginnt. Sie wird von einem Boten zu den Eltern der Braut getragen und enthält unter anderem den formalen Heiratsantrag des Bräutigams. Dazu fünf kleine Beutel, die beispielsweise mit roten Bohnen (vertreiben böse Geister), und Klebreis (sorgt für eine feste Verbundenheit des Paares) gefüllt sind. Jedes Tuch muss auf ganz bestimmte Weise gefaltet werden, bei jeder Kordel sind Knoten zu vermeiden - ohne professionelle Hilfe wäre das Brautpaar verloren. Und das ist erst der Anfang einer langen Abfolge von Zeremonien und Ritualen, die aus einer Hochzeit - jedenfalls in gut betuchten Kreisen - ein ebenso komplexes wie kostspieliges Ereignis macht. Etwa ein Viertel der Koreaner ist in irgendeiner Weise im Hochzeitsgeschäft tätig: als Friseur, Fotograf, Hostess, Mitarbeiter im Schönheitssalon etc. Und mittendrin: das Brautpaar, dem gelegentlich ein "Bitte lächeln" zugerufen werden muss, wenn die Gesichtszüge ob der vielen Dinge, die es zu bedenken gilt, sich zwischendurch ein wenig zu sehr verhärten sollten.

Sie zeige das Alte im Neuen und das Neue im Alten, sagt Ulrike Ottinger, und tatsächlich liegt die Faszination ihres Films darin, dass die im Schamanismus begründeten Rituale in der Megacity Seoul mit ihren irrwitzigen Wolkenkratzern und Neonreklamen vollzogen werden. Ein erstaunlicher Film, der auf einen Off-Kommentar verzichtet und auf ruhige Bilder setzt, die den Zuschauer tief in die fremde Welt eindringen lassen.

++++- Die koreanische Hochzeitstruhe D 2008, 82 Min., o. A., R: Ulrike Ottinger, im Metropolis; Internet: www.ulrikeottinger.com