Es war ein genialer Buchtitel, den sich die Australierin Kathryn Eisman einfallen ließ: "Schuhe lügen nicht". Ein Blick, was Mann untenrum trage, offenbare auf den ersten Tritt den Charakter des Herrn und seine Eignung als "der Richtige", so der Klappentext. Wahnsinn. Wieso gehen Singles noch in Bars und nicht gleich in die Kathedralen des Wohlbefindens, zu Gundlach, Görtz und Kay?! Als ich das Maurice, einem meiner fünf Lieblingsschuhverkäufer erzählte (eine Frau kann in dieser Hinsicht nie nur einen haben), lachte er auf. "Schuhe? Die verlogensten Kleidungsstücke der Welt, mehr noch als das Bauchwegmieder. Die Wahrscheinlichkeit, dass Schuhe den Charakter spiegeln, liegt wie bei allen Vorurteilen bei acht Prozent." Er deutete auf rote Pumps, die mir wie ein Kussmund zulächelten. "Das Image von roten Lackstilettos zum Beispiel ist miserabel, und schuld sind die Märchen. Das keusche Aschenputtel darf goldene Drei-Zentimeter-Slings tragen, rote Stilettos aber nur die böse, sexuell verdächtige Stiefmutter. Ach ja, und dein Intelligenzquotient senkt sich mit jedem Zentimeter mehr Absatz, und je dünner, je dümmer. Rote High Heels sind quasi die blonden Flittchen unter den Blasenetuis. Haben sie das verdient?" Galant half er mir hinein. "Oder der Mephisto, als Rüdiger-Pantoffel verleumdet. Dazu ein beiges Blouson und Cordhose, schon geht die Schublade auf: liest nur tote Schriftsteller - pragmatisch statt leidenschaftlich - versteht Witze immer falsch." Maurice deutete auf Segeltreter, Gucci-Schlappen, Chucks und Cowboyboots, auf Ballerinas, vernünftige Halbschuhe und Stiefel, die aussahen, als sei man in einen toten Waschbär getreten. Zu jedem fiel mir ein Klischee ein, leider kaum ein nettes.

"Schuhe verraten letztlich nichts über den Träger, höchstens, ob er sie putzt. Aber alles über den Betrachter und seine Feindbilder", schloss Maurice den Vortrag ab. Ertappt. Ich blinzelte zu den Roten. Traumverführer ... Ich begann, mich in ihnen gehen zu sehen, zu einem sinnlichen Rendezvous. Und das ist vielleicht das Einzige, wobei Schuhe nicht lügen: Sie erzählen Träume. Wer ihre Trägerin für einen Weg lang sein will. Wohin sie in ihnen gehen will. Jedes Paar Schuhe im Schrank ist eine Vision eines anderen, glorioseren Ichs.

Gut, außer Bommelslipper.

"Wie Sie in Highheels unfallfrei eine Glühbirne auswechseln" und mehr ladylike Tipps gibt Camilla Norton in ihrem gleichnamigen 500-Seiten-Stilkundewerk. Ein galantes Mitbringsel - zum Schuhschrank (13 Euro)

Nina George schreibt jede Woche in LIVE und liebt Hamburg.