Hamburg. Dialog lautet ein Schlüsselbegriff im choreografischen Werk von Sasha Waltz. Ihre Arbeiten sind geprägt von den Wechselwirkungen zwischen Musik und Tanz, Bewegung und Raumstrukturen. Sie erforscht spielerisch die Genres Architektur, bildender Kunst, Film, Sprache und Tanztheater, inszeniert in den letzten Jahren auch "Tanz-Opern" ("Dido und Aeneas", "Medee"). Mit ihrer Kompanie war Waltz unterwegs zwischen Bombay und Bordeaux, gastierte beim Festival in Avignon und in Paris: Sie ist gefragt wie Pina Bauschs Wuppertaler Tanztheater.

In Hamburg waren "Sasha Waltz & Guests" zuletzt 2002 am Schauspielhaus zu sehen: mit der vital schwerelosen Todesfeier "noBody". Heute Abend geben sie und das Ensemble Modern auf Kampnagel ein seit Wochen ausverkauftes Elbphilharmonie-"Tanzkonzert" mit Wolfgang Rihms "Jagden und Formen".

"Musik soll dem Tanz nicht dekorativ dienen", sagt Waltz lapidar. Der energischen, doch humor- und temperamentvollen Choreografin, Jahrgang 1963, ist mit "Jagden und Formen" ein bestechendes Exempel gelungen: Jede Kunst bleibt für sich und pflegt doch subtil, nicht illustrativ, eher sich kontrapunktierend eine faszinierend vieldeutige Zwiesprache.

Bereits in der auf Kampnagel gezeigten "Travelogue"-Trilogie - damals, Mitte der 90er-Jahre, noch vor einer Handvoll Zuschauer - fanden sich Motive, die Waltz bis heute verfolgt. Und doch mit unerschöpflicher Einfallskraft immer wieder überraschend abwandelt. In "All ways six steps" spielte schon ein Cellist mitten unter den Tänzern. Die damals noch auftretende Choreografin kam gefangen in einem Kegel auf die Bühne - wie später die Gruppe von "noBody" in hölzerner Verschalung.

Den "Körper" thematisiert Waltz nicht nur in ihrer "Body"-Trilogie. Es geht ihr stets darum, ihn aus sozialen, individuellen oder psychischen "Verpanzerungen" zu befreien. Und seine Grenzen auszuweiten - im Dialog mit dem eigenen Körper, dem anderen in der Gruppe und den sie umgebenden Räumen. Waltz und ihr Ensemble erkunden nicht nur sich, sondern auch das urbane Umfeld. Sie experimentier(t)en mit den baulichen Strukturen und Klangräumen in den Sophiensaelen und in Daniel Libeskinds Jüdischem Museum. Die Choreografin setzte ihre "Dialoge"-Reihe im Palast der Republik fort, dann 2006 zur Eröffnung der eigenen Spielstätte "Radialsystem V" oder jüngst des Berliner Neuen Museums.

Kaum zufällig kennzeichnen durch Licht, Objekte oder Wände aufgeteilte Räume mit geometrisch präziser Linienführung die Choreografien der Architektentochter aus Karlsruhe. Sie wollte eigentlich bildende Künstlerin werden, was sich in den installativen Arbeiten ("inside/out"), dem Einsatz von Materialien - Farbe, Ton, Stoff - und den Elementen Erde, Feuer, Luft und Wasser spiegelt.

"Jagden und Formen" nennt Waltz ihr bisher am einfachsten und strengsten komponiertes Stück. "Es bleibt abstrakt, konzentriert auf den Tanz und die Musik." Offenbar ist der Choreografin im "Tanzkonzert" mit dem Ensemble Modern dennoch eine lebendige Begegnung - oder wie eine begeisterte Kritikerin lobte - der "Dialog auf Augenhöhe" gelungen.