Der französische Regisseur Eric Rohmer ist tot. Der Mitbegründer der „Nouvelle Vague“ aus den 1960er Jahren verstarb in Paris.
Paris. Eric Rohmer ist am Montag in Paris gestorben. Der französische Filmregisseur gilt unter Cineasten vor allem als Meister im Inszenieren zartester Gefühle: das feine Flirren der erblühenden Liebe, das dezente Gift der ersten Zweifel, Besitzansprüche, Eifersüchteleien, erotische Provokationen - Rohmer stellt das alles in vollkommener Nähe zu den Unvollkommenheiten des Alltags dar. Seine Filme sind gern dialoglastig, und man fühlt sich manchmal wie in einer durchpsychologisierten Wohngemeinschaft der 80er-Jahre, wenn Rohmers Personen und Paare ihre Befindlichkeiten schonungslos ausbreiten und sezieren.
Zur dieser Wirklichkeitsnähe trägt sicher auch bei, dass er die Dialoge häufig nicht niederschrieb, sondern seinen Darstellern Situationen beschrieb und sie aufforderte, damit so umzugehen wie im wirklichen Leben.
Rohmer, einer der wichtigsten Vertreter der Nouvelle Vague, drehte in fünf Jahrzehnten 24 Spielfilme, darunter viele Literaturverfilmungen, wobei die Schattierungen der Liebe im Vordergrund standen und die Frauenfiguren zumeist dominierten.
Der Regisseur war vor einer Woche ins Krankenhaus eingeliefert worden, wie es in seinem Umfeld hieß. Rohmer hatte vor gut zwei Jahren seinen letzten Film gedreht, "Les amours d'Astrée et de Céladon". Nach diesem Film werde er "in Rente gehen", kündigte Rohmer damals an. Der Film lief im Wettbewerb des Festivals von Venedig.
In den vergangenen zwei Jahrzehnten hatte Rohmer unter anderem "Herbstgeschichte", "Sommer", "Wintermärchen" und "Frühlingserzählung" gedreht. Für seinen Film "Pauline am Strand" wurde der Regisseur bei der Berlinale 1983 mit dem Silbernen Bären geehrt. "Meine Nacht bei Maud" von 1969 war für den Oscar nominiert gewesen. Im Lauf seiner langen Karriere bekam Rohmer neben anderen Auszeichnungen außerdem den Prix Max Ophüls (1970), den Drehbuchpreis der Filmfestspiele Venedig (1998) und den Goldenen Löwen (2001). Er war auch Offizier der französischen Ehrenlegion. Rohmer wäre im April 90 Jahre alt geworden.
Der Filmemacher, der unter dem Namen Jean-Marie Maurice Schérer in Tulle im französischen Departement Corrèze geboren wurde, schlug zunächst eine Lehrerkarriere ein. Er promovierte über die Organisation des Raumes in dem legendären "Faust"-Film von Friedrich Wilhelm Murnau aus den 20er-Jahren. Als Regisseur wurde er erst in den 60er-Jahren aktiv, nachdem er bei den Zeitschriften "Gazette du Cinéma" und "Cahiers du Cinéma" filmtheoretisch gearbeitet hatte.
Rohmer nutzte für seine Filme oftmals literarische Vorlagen, etwa die "Marquise von O." (1976) von Heinrich von Kleist. Stets bedacht auf stimmige, authentische Darstellung der Figuren, besetzte er die Personage der Klassiker-Novelle auch mit deutschen Schauspielern. Die Titelrolle in der malerisch arrangierten Filmerzählung spielte Edith Clever, ihren "Retter" aus dem brennenden Schloss gab Bruno Ganz. Beide waren damals die Stars in Peter Steins Berliner Schaubühnen-Ensemble, ebenso wie der mitwirkende Otto Sander.
Rohmers letzter Film, "Les amours d'Astrée et de Céladon", greift die Geschichte eines Romans von Honoré d'Urfé aus dem 17. Jahrhundert auf. "Das Filmedrehen ist für mich keine Arbeit", sagte Rohmer einmal. "Es ist eine Leidenschaft, so wie andere leidenschaftlich gerne spielen oder angeln." Als seinen persönlichen Lieblingsfilm bezeichnete er "Die Frau des Fliegers" (1981), der beim Publikum nicht sonderlich gut ankam. Einen Teil seiner Filme organisierte Rohmer in Zyklen, etwa über Sprichwörter und Jahreszeiten.
Es sind weniger spektakuläre Plots, die Rohmer zu Filmen verarbeitete - häufiger waren es kleine Fluchten und Verstrickungen im Alltag, Geschichten, in denen sich Menschen in die Nähe der Freiheit begeben und ausprobieren, wie sie damit umgehen können.
Rohmer erzählt in seinen Filmen von Träumen, von Sehnsüchten, von menschlichen Unsicherheiten. Dennoch behandelt er seine Protagonisten nicht wie ein Psychiater seine Patienten, sondern betrachtet sie immer mit liebevollen und melancholischen Blicken.
(AFP/itz/hjf)