Hamburg. Sie ist der Blümchenkleid-Typ. Marion Martienzen tritt zwar bei ihrem "Überraschungskonzert" im St.-Pauli-Theater im olivfarbenen Abendkleid auf - doch eigentlich ist die "schillernde zweite Haut" nicht ihr Stil. Auf den Motown-Hit "My Guy" singt sie zum Finale "Mein Kleid" - ein fetziges Credo auf florale Fähnchen. Und das ist ein ehrliches Bekenntnis mit Drive, Selbstironie und Witz. Eben "echt Marion".

Genauso unverblümt pariert sie Missgeschicke, etwa mit dem Mikro - sie quatscht schon mal ins leere Stativ - oder bei Texthängern. Ihre raschen Reaktionen haben etwas vom Charme und der unprätentiösen Spontaneität einer Bette Midler - wie sie bleibt die mädchenhaftere Martienzen immer bei sich, redet und singt, wie ihr der Schnabel gewachsen ist.

Auch bei den deutschen Texten (die eigentliche Überraschung des Programms), die sie für ihre Lieblingstitel aus dem klassischen Blues-, Jazz- und Soul-Repertoire geschrieben hat, gibt Martienzen nicht die große Dichterin, sondern singt lieber davon, wie ihr ums Herz ist. Ob es um die Liebe ("Verknallt!") oder die Männer ("weg damit") geht. Oder sie berührende Erlebnisse, die ihr im Alltag und bei ihren Afrika-Reisen widerfahren sind. Auf "Gentle Rain" hat sie das verhaltene Lied "Schutzengel" für ein afrikanisches Waisenmädchen geschrieben, auf den Paul McCartney-Song "Eleanor Rigby" Impressionen über ins Pflegeheim abgeschobene "alte Menschen". Das klingt manchmal etwas rührselig, ist aber ehrlich gemeint und berührt darum auch. Was den Lyrics bisweilen an Raffinesse fehlen mag, gleichen stimmliche Kraft und Farbigkeit der Sängerin, ihr direkt empfundener Vortrag und das musikalische Arrangement durch Jan-Peter Kloepfel aus.

Der Pianist und Trompeter gibt in den Songs auch dem Gitarristen Joachim Schlüter, Cellist Amadeus Templeton, Bassist Johannes Huth, Klarinettist Detlef Raschke und Schlagzeuger Martin Engelbach Gelegenheit zu jazzigen Soli. Für "Respect" - der Titel ist ein Muss in jedem Martienzen-Konzert - kommt Verstärkung aus dem Parkett: Anne Weber und Sarah Masuch singen Background, Matthias Pogoda übernimmt das Piano. Das Publikum jubelt.