Wer redet noch von Nokia? Wie sich die Macht im Mobilfunk verschiebt und warum “Apps“ cooler sind als Klingeltöne.

Hamburg. Noch vor wenigen Jahren zählten bei Handys völlig andere Kaufkriterien als heute: In den Neunzigern diskutierten die Kunden über die Größe des Telefons oder die Akku-Kapazität. Passt das klobige Handy ins Herrentäschchen und reicht die Batterie für Vielredner? Anschließend ging es um das Design oder die besten Klingeltöne. Doch inzwischen, das zeigt das Kopf-an Kopf-Rennen zwischen dem jetzt vorgestellten neuen Google-Handy Nexus One und dem iPhone, entscheidet zunehmend das Angebot von Programmen (Apps) auf dem Gerät.

"Die Beliebtheit von Handys wird zunehmend von der Software bestimmt", sagt Alexander von Schmettow von der Telekom, die bald nicht nur das iPhone von Apple sondern auch das Google-Handy vertreiben will und insofern als unparteiischer Marktbeobachter gelten kann.

Welcher der Alleskönner unter den Multimedia-Handys verknüpft das Internet am intelligentesten und kreativsten mit mobilen Anwendungen? Welches findet am besten den nächsten Geldautomaten, welches empfiehlt mir im Urlaub die nettesten Restaurants, welches erkennt in der Disco einen Musiktitel und präsentiert auf seinem Bildschirm einen Internetladen, wo ich den Song kaufen kann? Solche mehr oder minder unverzichtbaren Alltagshelfer, aber auch Spiele oder die Verknüpfung mit den eigenen (Business-)Kontakten auf dem Laptop seien heute die entscheidenden Fragen anspruchsvoller Kunden in den Telekom-Geschäften, sagte von Schmettow dem Abendblatt.

Apple ist es bereits gelungen, mit dem iPhone den Mobilfunkmarkt umzukrempeln. Der Erfolg des Apple-Handys gab der Internet-Nutzung im Mobilfunk erst den richtigen Schub.

Schon Anfang des vergangenen Jahrzehnts hatten Telekommunikations-Propheten diese Zeitenwende vorausgesagt und jagten damit 2001 bei der Versteigerung der UMTS-Lizenzen die Preise in luftige Höhen von 50 Milliarden Euro. Doch damals kapitulierten die Handys noch vor dem Internet, genau so wie die Verschmelzung von TV und world wide web erst in diesem Jahr gelingen wird.

Es war auch erst das iPhone, welches das Geschäft mit den Apps in Schwung brachte. Damit prägte es das Design von High-Tech-Telefonen anderer Hersteller entscheidend.

In Deutschland wurde das iPhone seit der Einführung im November 2007 bisher 1,2 Millionen mal verkauft, vorwiegend an Gutverdiener im Alter zwischen 30 und 40 Jahren. Wettbewerber Google schaffte den Einstieg in die Welt der Multimedia-Handys zwar schon vor etlichen Monaten mit dem G1, das wie das Nexus One Hardware des taiwanesischen Herstellers HTC verwendet. Die Anwendungen reichen knapp an die des I-Phone heran.

Ein Google-Handy konnte es an Attraktivität bisher aber nie mit dem I-Phone aufnehmen. Nur Apple gelang es, aus dem I-Phone ein Must-have zu machen. Ob Google mit dem von Fachleuten als wenig innovativ bewerteten Nexus One zum iPhone-Killer wird, bleibt mehr als fraglich.

Verlierer im Kampf zwischen Google und Apple sind die ehemaligen Herrscher der Handy-Welt: Vodafone, E-Plus oder O2 drohen als bloße Transportnetzbetreiber im Mobilfunkmarkt den Anschluss zu verlieren, sagte Torsten Gerpott, Professor für Kommunikationswirtschaft an der Uni Duisburg dem Abendblatt. Auch Handy-Hersteller wie Nokia haben lange nicht mehr für Begeisterungsstürme unter den Kunden gesorgt und müssen sich um ihre Umsätze sorgen.

Google hingegen steigert mit dem Engagement für das mobile Internet seine Werbeeinnahmen auf seiner Suchmaschine, wenn künftig immer mehr Nutzer nicht nur zu Hause surfen. Apple wiederum verdient im Mobilfunk, weil jeder Anbieter von Programmen für das iPhone erst bei den Kaliforniern vorsprechen muss, bevor ein weiteres App auf den Markt kommen darf.

Aber auch bei der Frage, ob bei den Kunden künftig eher klassische Computer, Handys oder Zwitterprodukte auf der Wunschliste stehen, reden Google und Apple ein immer entscheidenderes Wörtchen mit. Verlierer werden laut Gerpott die herkömmlichen Laptops sein. Auf der Gewinnerseite dürften hingegen nach wie vor die Smartphones, aber auch die Netbooks oder Tablet PCs stehen. Sie machen es dem Nutzer als kompakte Mischwesen zwischen Handy und Laptop leichter, auch in der U-Bahn einen Spielfilm zu schauen oder die E-Mails zu checken, ohne dem Sitznachbarn mit dem Notebook in die Quere zu kommen.

Auch für diesen Zukunftsmarkt ist Apple nach hartnäckigen Gerüchten bestens gerüstet. Schon im März soll der für seine extreme Geheimhaltung bekannte Konzern seinen Tablet-PC iSlate, einen DIN-A-4-großen Computer auf den Markt bringen. Das Gerät dürfte diejenigen Nutzer überzeugen, die ähnlich wie mit Amazons Kindle dem Papier abschwören und digitale Zeitungen oder Bücher lesen wollen. (s.u.)