Das Genre des Studentenfilms existiert in Deutschland so gut wie nicht. Schade, diese Filme erzählen mehr als nur von Diplomen und Partys.

Hamburg. Kein Lebensabschnitt wird rückblickend so häufig verklärt wie die Studentenzeit. Die Jahre zwischen Gruppenreferaten, Erstsemesterpartys und versiffter WG-Küche, in denen man (wenigstens in der eigenen Wahrnehmung) noch sehr aufregend, feierwütig und unspießig war und ach so vieles möglich schien im Leben.

Ein Rätsel bleibt, warum das Genre des Studentenfilms hierzulande chronisch unterentwickelt ist - denn was könnte interessanter sein als ein Thema, das viele Menschen ihr ganzes Leben lang beschäftigt: das Erwachsenwerden. Und nichts anderes als ein Zu-sich-selbst-Finden vollzieht sich ja rund ums Universitätsmilieu, sei es beim Lernen, Zeitvertrödeln oder inmitten einer Sinnkrise.

In Amerika haben Highschool- und College-Filme Tradition, "American Pie", "Clueless" und Barry Levinsons Klassiker "Diner" sind nur die bekanntesten Vertreter dieses Genres. Frankreich steuerte die Komödie "L'auberge espagnole" über Erasmus-Studenten im Ausland bei, die so erfolgreich war, dass gleich eine Fortsetzung in Dreh ging. Und hier?

Nun, es gab vor zehn Jahren die zähe Buchverfilmung "Der Campus" mit Heiner Lauterbach als lüsternem Professor, in den 90er-Jahren Wohngemeinschaftsfilme wie "Allein unter Frauen" - das war's dann auch.

In diese Lücke stößt die charmante, sehr heitere Studentenkomödie "13 Semester" von Regisseur Frieder Wittich, die heute im Kino startet. Sie erzählt gleichzeitig konkret vom Mikrokosmos Uni und allgemeingültig vom Heranwachsen, erfüllten und unerfüllten Träumen: von alten Freunden, denen man plötzlich nichts mehr zu sagen hat, und neuen, die an ihre Stelle treten. Von dem Gefühl, den Anschluss verpasst zu haben, wenn ringsherum alle Karriere machen, und davon, erstmals jemanden kennenzulernen, von dem man sich wünscht, er möge für immer bleiben.

Im Mittelpunkt steht Momo (Max Riemelt), der in Darmstadt sein Studium der Wirtschaftsmathematik beginnt - und man muss nicht Wirtschaftsmathematik studiert haben, um das Gefühl zu kennen, in einem überfüllten Hörsaal nur Bahnhof zu verstehen. Man muss auch Darmstadt nicht kennen, um zu wissen, wie eine Disco namens Roxy von innen aussieht. Überhaupt ist Wittichs Film für sämtliche Ex-Studenten voll nostalgischer Déjà-vu-Erlebnisse, für den Rest der Zuschauer erzählt er eine klassische Coming-of-Age-Geschichte. Spezialist für dieses Genre, für das man in Deutschland nie ein rechtes Wort gefunden hat, ist die Produktionsfirma Claussen+Wöbke+Putz, die Zuschauererfolge wie "Nach 5 im Urwald" und "Crazy" auf die Leinwand gebracht hat. Und jetzt "13 Semester", der von Drehbuchautor Oliver Ziegenbalg ursprünglich als Roman angelegt war. Lass den Roman mal, hat ihm Produzent Jakob Claussen gesagt, der das filmische Potenzial des Stoffs sofort spürte und um das "sträflich vernachlässigte" Genre des deutschen Studentenfilms wusste.

Nur eine Woche später startet gleich eine weitere Kinoproduktion, die ums Erwachsenwerden kreist: "Friendship" von Regisseur Markus Goller. Auch dies eine deutsche Komödie, die Protagonisten Anfang 20 und im Kern die Frage: Was will ich eigentlich vom Leben? "Friendship" allerdings handelt vom Aufbruch, von zwei Freunden, die der DDR im Jahr 1989 den Rücken kehren, um die Golden Gate Bridge zu sehen; "13 Semester" zieht sich ganz aufs Kleinstädtische zurück. Die jeweiligen Starttermine mögen unglücklich gewählt sein - andererseits: Wir haben lange genug gewartet auf einen richtig guten Studentenfilm.

Am Sonnabend, 9.1. (19.15 und 22.00 Uhr), ist der Hauptdarsteller aus "13 Semester", Max Riemelt, zu Gast im Abaton-Kino.