An einem Neujahrsmorgen vor sieben Jahren wollten Kollege RJ und ich ein Raritäten-Kabinett ausgestorbener Wörter eröffnen. Wir stellten uns eine Dachkammer im Jenischhaus vor, in der die Dielen knarren und man sich nur gehaucht unterhält. In Vitrinen stünden Wörter wie "Fräulein", "Nasenfahrrad" oder "Dativ". Rentenreife Deutschlehrer beklagen den Verfall der Sprache und reagieren kiebig, wenn ein vorlauter Bub behauptet, er hätte noch nie eine verfallene Sprache gesehen, höchstens eine gewandelte.

Im Raum daneben, auf PVC-Regalen und Touchscreens, stünden die Modewörter der Saison. Die Führung durch enthemmte Ungetüme wie "sich comitten", "nachhaltige Wertschöpfung" und "emotional baggage" (gefühlsduselige Altlasten, bezeichnet Beziehungswunden als auch langjährige Angestellte mit lästigem Kündigungsschutz) übernähme eine Prada-gedresste Corporate-Wording-Consulterin, die sonst Unternehmen berät, welche Wörter sie für die "Identity" und das "Standing" benutzen dürfen und welche nicht.

Die dritte Abteilung ist der Wortknast. Hier vegetieren Begriffe, die wir schlicht nicht leiden können. Das "Date" teilt sich die Zelle mit "sozialverträglichem Ableben", "Magermilch" mit "Edelfeder".

RJ und ich treffen uns jede erste Januarwoche, um Neuzugänge zu besprechen. Mein diesjähriger Favorit für den Wortknast ist "Beste Grüße". Seit Kurzem verbreitet sich diese aus "best wishes" fehlübersetzte Schlussformel wie eine ansteckende Krankheit. Sie hat die Wetterdurchsage abgelöst - "sonnige / verregnete / halbwarme Grüße aus Irgendwo" - und die Koordinatenangabe "Grüße aus Hamburg / Biarritz / Kürbishausen". Glatt wie Otterfell und sinnfrei aus gut und besser zum Besten gesteigert, stand diese Floskel früher übrigens nur unter der zweiten Mahnung: "Wir behalten uns weitere Schritte vor, beste Grüße", da schreibt ja das Finanzamt charmanter! RJ sagt, "nun beruhige dich doch" und "das ist nun mal das Vokabular der Win-Win-Gesellschaft, überall soll es das Überhöhte sein, beste Grüße, mega stylish, giga Event."

Möge "herzlich" bitte nie Rarität werden.

Vier kämpfen um den Job ganz oben. "Die Grönholm-Methode". Sa 9.1. & 16.1., 20.00, Theaterschiff Batavia (S 1), Brooksdamm, 10,-/13,- unter T: 04103/85 836; www.batavia-wedel.de

Nina George schreibt jede Woche in LIVE und liebt Hamburg.