Tragikomödie: Jeder Mensch braucht ein Geheimnis. 20.15 Uhr ARD

Wenn es um die kleinen und großen Dinge zwischen Mann und Frau geht, werden die Filme im Ersten meist aus weiblicher Sicht erzählt; deshalb sind bei Trennungen die Männer in der Regel die Täter und die Frauen das Opfer. In diesem Film ist das zwar ähnlich, aber die Sympathien sind anders verteilt: Hannelore Hoger spielt die sitzen gelassene Mittsechzigerin Luise als herrischen Hausdrachen, sodass man für die Flucht des frühpensionierten Gatten (mit Dietmar Mues ebenfalls hamburgisch besetzt) vollstes Verständnis hat. Wolfraum Paulus (Buch und Regie) erzählt die Geschichte als halb ironisches Familiendrama, in dem die vier erwachsenen Kinder des Paares munter mitmischen. Schon der ausführliche Auftakt mit dem jährlichen Sippschaftstreffen ist eine gelungene Ensemblesequenz: Die gesamte Mischpoke intrigiert derart munter vor sich hin, dass das Verschwinden von Vater Helmut zunächst gar nicht bemerkt wird. Er hat sich mucksmäuschenstill aus dem Staub gemacht. Nur durch Zufall findet sein Sohn heraus, dass der frühere Schuldirektor offenbar schon länger ein Verhältnis mit einer in Italien lebenden Sängerin hat. Dort, in der Nähe Venedigs, hat sich nun auch Helmut niedergelassen und geschworen, sein Refugium frühestens nach Ablauf eines Jahres wieder zu verlassen.

Wie so viele deutsch-österreichische Koproduktionen irritiert auch "Jeder Mensch braucht sein Geheimnis" durch eine gewisse Sprachenvielfalt: Zwei Töchter des Paares sprechen Österreichisch, die dritte Hochdeutsch, der Sohn Bayerisch. Dafür gelingt es Paulus, ihnen mit wenigen Andeutungen komplette Biografien mitzugeben; die Figuren sind Menschen mit komplexen Charakteren. Ähnlich geschickt hat er auch die Dramaturgie der Geschichte gestaltet: In Rückblenden erinnert sich Luise an Schlüsselszenen der gemeinsamen Ehe, die durch die Flucht des Gatten plötzlich in ganz anderem Licht erscheinen.