Nach dem Tod von Heath Ledger stand der britische Regisseur vor dem Aus. Dennoch ist er mit “Parnassus“ zurück im Spiel.

Hamburg. Regisseur Terry Gilliam gilt als unkonventioneller Bilderstürmer auf der Leinwand. Mit "Das Leben des Brian" und "12 Monkeys" hatte er große Erfolge. In seinem neuen Film "Das Kabinett des Doktor Parnassus" erzählt er eine fantastische Geschichte über eine Schaustellertruppe, deren Oberhaupt einen Pakt mit dem Teufel eingeht. Die Rolle von Heath Ledger, der kurz vor Ende der Dreharbeiten mit 28 Jahren an den Folgen von Medikamentenmissbrauch starb, übernahmen Johnny Depp, Colin Farrell und Jude Law. Ein Gespräch mit dem Filmemacher über außergewöhnliche Herausforderungen, den Glauben ans Kino und sein schwieriges Verhältnis zu Hollywood.

Abendblatt:

Wie konnten Sie den Film nach dem Tod Ihres Hauptdarstellers Heath Ledger noch fertigstellen?

Gilliam:

Nach dem Tod von Heath Ledger stand ich vor dem Aus. Ich war so deprimiert, dass ich nicht mehr arbeiten wollte. Zum Glück aber hat mich meine Umgebung angetrieben: "Zurück an die Arbeit, du faules Stück! Wir müssen den Film für Heath beenden!" Der Film konnte nur überleben, weil viele Menschen Heath derartig respektierten und liebten. Wir kamen auf die Idee, Heaths Rolle von drei Schauspielern spielen zu lassen. Die Geldgeber wollten schon von Bord gehen, aber Johnny Depp war sofort bereit einzuspringen und hat damit den Film gerettet. Dann stießen Jude Law und Colin Farrell dazu. Alle drei Stars haben gagefrei gearbeitet, damit Heaths Tochter die volle Gage ihres Vaters bekam. So etwas passiert im Kino sonst nie.

Abendblatt:

Glauben Sie nach dieser Erfahrung wieder an das Kino?

Gilliam:

Natürlich nicht. Filme zu machen ist einfach schrecklich! Und die Typen, die dir das Geld geben, bleiben immer dieselben. Aber zum Glück trifft man dann eine Handvoll wunderbarer Menschen zur richtigen Zeit, und so kommen Filme zustande. Ich hatte in meinem Leben einfach Glück, dass bestimmte Menschen an mich geglaubt haben.

Abendblatt:

Sie zeigen eine Parallelwelt voller Albträume und Fantasien: Sollte dieser Film das Wandertheater Ihrer gesammelten Obsessionen werden?

Terry Gilliam:

Er ist wie mein Lebenslauf. Vielleicht bekomme ich dadurch endlich wieder einen Job! Ich habe mir gesagt: Lasst uns mit nichts anfangen. Dann habe ich einfach alles Mögliche aus meinen früheren Filmen zusammengeklaut und bestimmte Ideen aus der Schublade gezogen, die ich bisher nie umsetzen konnte.

Abendblatt:

War es nach dem Flop Ihres letzten Filmes "Tideland" besonders schwer, Geld für dieses Projekt zu finden?

Gilliam:

Ja, daher wollte ich auch ursprünglich einen Film mit einem kleinen Budget machen. Als Heath Ledger dann an Bord kam, dachte ich, dass plötzlich alles ganz leicht sein würde, wir dachten an 25 Millionen Dollar ..., aber ich wurde schnell eines Besseren belehrt. Hollywood wollte keinen Cent besteuern. Ich habe gesagt: Hören Sie, im Sommer 2008 kommt "The Dark Knight" raus, der Joker wird das Größte auf diesem Planeten sein und Heath Ledger der größte Star. Aber niemand in Hollywood wollte mir glauben. Daher habe ich den Film schließlich mit britischem, kanadischem, japanischem, deutschem und französischem Geld gedreht. Auch gut.

Abendblatt:

Wie hat Ihr schwieriges Verhältnis zu Hollywood Ihre Arbeit als Filmemacher geprägt?

Gilliam:

Die Widerstände der Studios haben mich davon abgehalten, mehr schlechte Filme zu drehen als andere Regisseure! Ich wollte schon als Jugendlicher Regisseur werden, hasste aber das Hollywood-System und wollte mich dort nicht hocharbeiten. Ich mochte die Hollywood-Filme nicht. Als ich Regisseure wie Kurosawa, Buñuel, Bergman oder Fellini entdeckte, dachte ich mir: Es gibt intelligentes Leben auf diesem Planeten!

Abendblatt:

Dutzende Ihrer Projekte mussten Sie dennoch abbrechen. Was treibt Sie, trotzdem weiterzumachen?

Gilliam:

Gute Frage. Ich verstehe mich da oft selber nicht. Vielleicht wäre es einfach besser, ich würde das Handtuch werfen. Aber offenbar hat man mich als Kind so aufgedreht, dass ich nicht anders kann. Ich verbringe die meiste Zeit damit, deprimiert zu sein. Den Terry Gilliam, den Sie hier vor sich haben, das bin ich gar nicht. Da können Sie meine Frau fragen!

Abendblatt:

Warum spielt eigentlich das Schicksal in Ihren Filmen eine so große Rolle?

Gilliam:

Warum vergessen wir so oft den Glauben und das Schicksal? Sie lassen uns nicht los. Entweder man akzeptiert ihre Realität oder man bringt sich um! Der Glaube gibt dir bestimmte Karten in die Hand. Entweder man spielt sie oder nicht.

Eine Kritik des Films "Das Kabinett des Doktor Parnassus" lesen Sie morgen in Hamburg LIVE.