In sieben neuen Geschichten rechnet die Wienerin auch mit ihrer Heimatstadt ab. Ein leicht blasphemisches, ironisches Spiel.

Sie ist robuster als Thomas Bernhard - deshalb muss sie nicht so stark verletzen. Aber Eva Menasses sieben Geschichten, in denen sie ihre Leser durch die klassischen Todsünden führt, sind keine geringere Abrechnung mit Österreich und ihrer Heimatstadt Wien als die des großen Misanthropen. Bei ihr sind die Todsünden "lässlich", also verzeihlich. Das mag an Wien liegen, vielleicht auch am "Blaubichler", einem urwüchsigen Wiener Gasthaus, in dem mehrere der Geschichten ihren Fortgang nehmen.

Die Trägheit führt Karin in genau dieses Lokal, in dem ihr Ehemann Fritz sich mit "dieser Hilda" getroffen hatte. In der Erzählung geht es hin und her, bis Fritz, längst von seiner Frau geschieden, in die ehemals eheliche Wohnung zieht und dort mit seinen beiden noch jungen Töchtern weiterlebt. Karin hat inzwischen ihren dritten Ehemann verlassen. Von Trägheit ist bei ihr keine Spur. Überhaupt: Die jeweilige Titel-Todsünde ist nicht die Einzige in der betreffenden Geschichte. Sie ist eine Anregung, ein Deutungsvorschlag, ein ironisches, vielleicht auch blasphemisches Spiel mit der Lässlichkeit selbst der Todsünden.

Bei der Gefräßigkeit geht es eigentlich um eine erotische Annäherung zwischen einer Lehrerin und ihrer Lieblingsschülerin. Die scheitert nur scheinbar an der gesteigerten Nahrungsaufnahme, sondern an unbekümmerter Vernachlässigung von guten Manieren und überempfindlichen Reaktionen darauf. Die Wollust kann sich nicht entfalten, weil Joana und Rument - ein Lieblingsvorname der Autorin - einfach zu wenig Lust aufeinander haben.

Dem Neid ist die wohl anspruchsvollste Geschichte gewidmet. In ihr geht es um einen zweigeteilten Leichenschmaus mit gegenwärtigen und früheren Partnern. Subtil verhaken sich die von kaum vernarbten Verletzungen Gezeichneten, lösen sich wieder, verraten durch ihr Verhalten ihr intellektuelles Niveau.

Die Habgier schließlich ist eine einzigartige Abrechnung mit der verfilzten österreichischen Gesellschaft, vor der Eva Menasse schon vor Jahren in das nonchalantere, großzügigere Berlin geflohen ist. Sie schreibt eine flammende Anklage gegen den rechtsradikalen Haider und die Dürftigkeit seiner Gegner. Eine feine Anekdote deckt eine stille Spielart des Antisemitismus auf, die in ihrer Gemeinheit kaum zu überbieten ist.

Jede "Todsünde" beherbergt tausend andere, weniger lässliche Sünden, auf die Eva Menasse mit ihrer geschärften, immer elegant ansetzenden Feder weist. Selbst wenn sie gehässig wird, bleibt sie fein: "Die Krinzinger war kaum älter als Nora, aber blond und apfelbäckig, eine stadtschlank gehungerte Landmaid. Sie moderierte die Spätnachrichten ...". Seit ihrem Familienroman "Vienna" wissen ihre Leser, welch sichere Stilistin sie ist und wie gut sie ein ganzes Panorama entwerfen kann.

In "Lässliche Todsünden" stellt sie ihre Könnerschaft auch in der kleineren Form unter Beweis. Ihre Geschichten stehen jede für sich und ergeben doch unter der Klammer des widersprüchlichen Titels eine auch als Einheit zu lesende Komposition: Aus dem sicheren Berliner Exil zielt sie auf die alte geliebte Heimat.

Eva Menasse: "Lässliche Todsünden" Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009, 253 Seiten 18,95 Euro