Sehnsuchtsvoll werben oder die Sau rauslassen? Wie erobert ein Mann eine Frau? Bernd Fritz analysiert die Strategien literarischer Figuren.

Hamburg. Kennen Sie das? Dumme Anmachsprüche wie: "Na, auch hier?", "Darf ich dir meine Donald-Duck-Sammlung zeigen?" oder gar: "Ich bin so schlecht im Bett - das musst du erlebt haben!" Haben Sie möglicherweise selbst schon solche Flach-Formeln zum Einsatz gebracht und sind damit - welch Überraschung - kläglich gescheitert?

Damit Ihnen nie mehr die Worte zum Flirten fehlen, gibt es jetzt kluge Hilfe von echten Könnern. Der Weltliteratur entnommen. Wer könnte sich besser auskennen mit der Verführung durch Sprache als die Herren des Wortes - Romanschreiber, Literaten, Geschichtenerzähler? Von Sehnsucht säuseln, begleitet von beredter Berührung - wie man das erfolgreich einsetzt, müssten doch die Klassiker der Literatur wissen.

Wie wenig es auf die Größe ankommt, beweist Bernd Fritz in seinem Flirtführer "Die klassische Anmache - Tipps und Tricks aus der Weltliteratur". Da sieht selbst die ultimative Geistesgröße Goethe ziemlich (be)dürftig aus und bekommt für seine literarischen Verführungsszenen nur ein "einfallslos". Fritz hat in seinem sehr witzigen Bändchen 25 Momente der erotischen Annäherung aus der Weltliteratur gesammelt und dabei die Königsdisziplin analysiert: die Liebesszene, die Eroberung, Anmache. Situationen also, in denen es um Mut und Beherztheit ebenso geht wie um einen prickelnden Einfall.

Wie findet ein Mann die richtigen Worte, damit der Anfang nicht gleich schon das Ende ist? So etwas sollten Autoren, deren Beruf es ja ist, mit Wörtern umzugehen, doch wissen, mutmaßt Fritz. Er zieht Tolstoi, Thomas Mann, Musil, Fontane oder Eichendorff zu Rate und ordnet ihre Anbandeltipps in fünf Schwierigkeitsgrade nach Originalität und Erfolgsaussichten. "Auf der Straße (bei gegenseitiger Unbekanntheit und maximaler Zeitknappheit) gilt dabei als am schwierigsten. Hier muss jede Silbe sitzen, jede Sekunde für werben und überrumpeln genutzt werden. Absteigend leichter wird's "In der Kneipe", "Im Urlaub", "Auf Besuch" und "In Gesellschaft". Den Bereich "Betrieb und Büro" hat er sich gespart, denn "der sportliche Wert von Eroberungen am Arbeitsplatz ist nun einmal gleich null", will Fritz wissen.

Goethe schneidet gleich dreimal kläglich ab. Als "plump" und "nicht empfehlenswert" wird etwa Fausts Annäherung an Gretchen in Deutschlands liebstem Drama bewertet. Erfolgsprognose: Null. Faust muss den Teufel persönlich bemühen, um sich an die junge Frau ranzumachen. Peinlich! Noch schlimmer geht's für Goethes Werther aus. Da lautet die Erfolgsprognose gar: Tödlich. Ein Satz wie "Soll ich Ihr helfen, Jungfer?", mit dem sich Werther einer jungen Frau nähert, ist alles andere als eine "Sprachgranate". "Bei solchen Einfällen", schreibt Bernd Fritz, ist es "kein Wunder, dass der erotische Hungerleider sich irgendwann die Kugel gibt."

Nicht viel besser ergeht es Flaubert, der bekanntermaßen privat keinen Erfolg mit Frauen hatte. Außer Briefeschreiben lief da wenig. Sein Romanheld Charles in "Lehrjahre des Herzens" geht so plump vor, dass die Angesprochene wegrennt. Charles holt sie ein. "Nach menschlichem Ermessen müsste sie jetzt ein Pfefferspray herausholen", schlägt Fritz vor, doch erstaunlicherweise hängt sie sich bei Charles ein, nachdem dieser sie "halb tot gequatscht" hatte. Erfolgsquote solcher Annäherungen, laut Fritz: "5 Prozent".

Besser macht's Milan Kundera in "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins". Sein in erotischen Dingen überaus erfahrener Thomas lässt seine Getränke auf die Rechnung setzen: "Zimmer Nummer sechs". Die Antwort der Kellnerin: "Sonderbar. Sie haben Zimmer Nummer sechs, ich beende meinen Dienst um sechs." Thomas weiß, wo er um sechs Uhr sein wird: am Eingang des Restaurants nämlich. Fast wie von selbst geht's dann auf Zimmer Nummer sechs. Bernd Fritz urteilt: "Prädikat: mustergültig. Erfolgsprognose: 70 Prozent".

Ultimative 110 Prozent Erfolg verspricht Fritz der Anmache von Arno Schmidt (einem bebrillten Geistesmenschen, dem man so viel Sinnlichkeit gar nicht zutraut) in "Seelenlandschaft mit Pocahontas". Dort urlauben zwei junge Männer, informieren sich über zwei junge Damen aus dem Gästebuch, sprechen sie korrekt an. Schon bald gibt es Abwechslung im Ferienleben, "im Stehen", "unter Wasser" und "im Gebüsch". Na, wenn das kein schöner Urlaub ist!

Ebenfalls im Urlaub, an dessen letztem Tag, befinden sich ein Hauptmann und Theoda in Jean Pauls "Dr. Katzenbergers Badereise". Theoda flieht mit feuchten Augen in eine Felsschlucht. Der Hauptmann findet sie, reißt sie "vom Felsen an sein Herz". Geht aufs Ganze: "Muss ich von dir lassen, so muss ich zugrunde gehen". "Schluchz, schnüff", wertet Fritz mit der Erfolgsprognose "95 Prozent" für den Draufgänger.

Das galanteste Kompliment der Weltliteratur entnimmt Bernd Fritz übrigens Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit". Da sagt Swann (leider zu einem "leichten Mädchen"): "Das ist hübsch, du hast heut blaue Augen angezogen, sie passen ganz genau zur Farbe deines Gürtels." Sehr dezent. Wir hätten eher auf einen anderen Spruch gewettet. Vielleicht den von Philip Roth, den wir nicht zitieren können und den Fritz folgendermaßen bewertet: "Mit allem Recht erwartet er jetzt, dass sie die Polizei ruft."

Bernd Fritz: "Die klassische Anmache", Kein & Aber Verlag, 139 S., 14,90 Euro