“Bauer sucht Frau“, “Wetten, dass ...?“ fesselten Millionen. Wer aber auf Neues hoffte, wartete meist vergebens. Und die Qualität?

Hamburg. Wenn man ein gelungenes Fernsehjahr definiert als ein Jahr mit interessanten neuen Serien, überraschenden Unterhaltungsformaten und vielversprechenden Personalentscheidungen, dann war 2009 ein ziemlicher Reinfall. Überraschungen fand man nicht dort, wo sie hingehören, nämlich im Programm, sondern eher da, wo sie für Unruhe sorgen: hinter den Kulissen. 2009 wird eingehen in die Fernsehannalen als das Jahr, in dem alles blieb, wie es schon immer war ("Um Himmels Willen", "Wer wird Millionär?", "Wetten, dass ...?"), und gleichzeitig ein ganzes System infrage gestellt wurde.

Beinahe im Alleingang gelang das im September der damaligen NDR-Fernsehspielchefin Doris Heinze. Die Frau, die über einen Etat von rund 25 Millionen Euro verfügte, die "Tatort"-Folgen aus Kiel, Hamburg und Hannover sowie zahlreiche Spielfilmproduktionen in der ARD verantwortete, segnete fünf unter Pseudonym geschriebene Drehbücher ihres Ehemannes ab und drei eigene Stoffe gleich mit dazu. Ihre fristlose Kündigung krönte einen Medienskandal, der weit mehr umfasste als zu Unrecht kassierte Honorare und betrügerische Absichten. Der Fall Heinze wuchs sich zu einem saftigen Fall ARD aus und verhedderte sich in der vom Deutschen Fernsehpreis bis zur Bambi-Verleihung fortgesetzten Diskussion, inwieweit der heinzesche Machtmissbrauch bezeichnend für die Struktur des öffentlich-rechtlichen Senders ist, wer womöglich Komplize war und Nachfolger wird. Vielleicht entlud sich hier jene Emotion, nach der im Programm so wenig verlangt wurde.

Sicher, es gab Ausnahmen: Hervorragende und aufwendige Produktionen wie der Emmy-gekrönte ZDF-Dreiteiler "Die Wölfe" und Einzelstücke wie die Filmbiografie "Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben" und das Drama "Flug in die Nacht" fanden zu Recht viele Zuschauer. Für Serienfans aber sah es selten so düster aus wie in diesem Jahr. Und ohne auswärtige Hilfe von "Dr. House" und den "Desperate Housewives" hätte man noch öfter ratlos vor dem Bildschirm gesessen. Die ARD-Vorabendhoffnung "Eine für alle" um Frauenpower in einer Männerdomäne vermeldete Woche für Woche neue Tiefstwerte, die Familiensaga "Geld.Macht.Liebe" erlebte nach annehmbarem Start einen nicht aufzuhaltenden Quotenverfall und wird zu Recht nicht fortgesetzt. Dumm zudem für das Erste, dass es sich für den einzigen Lichtblick am Vorabend, "Das Quiz mit Jörg Pilawa", schnell um quotenträchtigen Ersatz kümmern muss: 2010 geht der beliebte Moderator im ZDF auf Sendung. Wohingegen seine Kollegen Johannes B. Kerner (vom ZDF zu Sat.1) und Oliver Pocher (von der ARD zu Sat.1) ihre jeweiligen Senderwechsel wenn nicht öffentlich, dann zumindest heimlich wohl schon bereuen.



Zumindest für Kerners Quotenprobleme gibt es eine naheliegende Erklärung. Nachdem Sat.1 sukzessive Informationsformate abbaute, erwarten die Zuschauer dort nicht einmal mehr Boulevardsendungen wie die des ZDF-Neuzugangs. Teure Nachrichtenformate sind Thomas Ebeling, dem Chef der ProSiebenSat.1-Gruppe, ohnehin ein Graus. Am liebsten würde er auf N24, das ebenfalls zur Senderfamilie gehört und alle Kanäle der Gruppe mit Nachrichten beliefert, nur noch Billig-Dokus zeigen. Als die Politik Wind von den Plänen bekam, ruderte Ebeling zurück. Zu groß ist die Furcht, der Gesetzgeber könnte auf die Idee kommen, einen bestimmten Nachrichtenanteil für große Sender wie ProSieben oder Sat.1 verbindlich vorzuschreiben.

Für Informations- und Nachrichtenprogramme sind ja eigentlich auch die Öffentlich-Rechtlichen zuständig, deren Glaubwürdigkeit 2009 aber auch über den Fall Heinze hinaus Schaden nahm. Erst kam heraus, dass Top-Journalisten wie Tom Buhrow, Claus Kleber oder ARD-Börsenfrau Anja Kohl hoch dotierten Nebenbeschäftigungen nachgehen, bei denen sie Firmen als Moderatoren dienen, über die sie anderntags womöglich im Hauptberuf berichten. Dann verweigerten sich der Union nahestehende Mitglieder des ZDF-Verwaltungsrats dem Wunsch von Intendant Markus Schächter, den Vertrag von Chefredakteur Nikolaus Brender zu verlängern. Die Warnungen von 35 führenden Staatsrechtlern, die verfassungsrechtliche Bedenken anmeldeten, schlugen sie in den Wind. Wird das ZDF nun zum Regierungssender? Wenn Mitglieder der größten Regierungspartei auch gegen den Willen des Intendanten entscheiden, wer Chefredakteur wird und wer nicht, ist es mit der vom Gesetzgeber geforderten Staatsferne nicht weit her. Der Imageschaden für das Zweite ist gewaltig.

Derlei Probleme kennen die werbefinanzierten Privatsender nicht. In Zeiten rückläufiger Werbeeinnahmen suchen sie verzweifelt nach neuen Erlösquellen. Vielleicht ist der Zuschauer ja bereit, für Programme in besonders guter Bildqualität zu zahlen: 2009 ging HD+ an den Start, eine Satellitenplattform, die Programme im hochauflösenden Standard HDTV anbietet. Zunächst laufen dort nur die Sender der RTL-Familie. Im Januar kommen die Kanäle der ProSiebenSat.1-Gruppe dazu. Das erste Jahr ist umsonst. Danach werden jährlich 50 Euro fällig. Die Vermutung, dass Programme der Privaten in HDTV auch im Kabel nicht zum Nulltarif zu haben sein werden, ist naheliegend.

Und wenn die Zuschauer partout nicht zahlen wollen? Dann müssen die Privaten eben dauerhaft zu niedrigen Preisen produzieren. Billigformate wie Dokusoaps, gern mit Laiendarstellern produziert, erfreuen sich anhaltend großer Beliebtheit. Besonders das Balzverhalten der ländlichen Bevölkerung bei RTL: "Bauer sucht Frau" zählte auch in der fünften Staffel zu den beliebtesten Formaten. Dass sich nach dem Finale herausstellte, dass mancher Bauer weder Landwirt noch Single, eine Frau Prostituierte ist - wen interessiert's? Vielleicht ist auch das eine Erkenntnis aus dem Fernsehjahr 2009: Der Zuschauer ist, anders als die Branche selbst, längst abgehärtet. Er rechnet ohnehin mit dem Schlimmsten.