Für “Bang Crunch“, sein erstes Buch, wurde der Kanadier Neil Smith mehrfach ausgezeichnet. Ganz zu Recht.

Hamburg. Schöne Themen hat er sich nicht gerade vorgenommen, der kanadische Autor Neil Smith. Und doch sind seine Geschichten rührend, komisch, skurril, wunderbar geschrieben und, dank der deutschen Übersetzung von der in Hamburg lebenden Gabriele Haefs, auch zu lesen wie Reportagen, die mit Kinderblick Erwachsenenthemen durchdringen. Würde Smith Musik machen, dann klänge er wie eine Mischung aus Devendra Banhart und Cat Stevens: lässig beschwingt und melancholisch ach so wahr.

In seinem Erstlingswerk "Bang Crunch", das neun Erzählungen versammelt, beschreibt Smith beispielsweise die Mutter eines Frühgeborenen, eine Selbsthilfegruppe von Menschen mit gutartigen Tumoren, ein Mädchen, das plötzlich rapide altert, eine rachsüchtige Schauspielagentin - lauter Menschen, die ein bisschen unbeholfen mit sich, ihrer Familie, mit Freunden und allem, was ihnen so passiert, umgehen und die nicht gerade vom Glück verfolgt sind. Alkoholiker und Amokläufer sind darunter Melancholiker und Schmetterlingssammler. Menschen mit gebrochenen Herzen und enttäuschten Hoffnungen, die realisieren, dass die Welt sich nicht so präsentiert, wie sie sein sollte. Aber, was soll's?

Smith beschreibt das, was eigentlich grausam und bitter ist, lakonisch, sanft, verständig und mit Mitgefühl, wie ein Beobachter, der eine fremde Spezies entdeckt. Merkwürdig, wie dieser Autor, der als Übersetzer arbeitet, es schafft, aus brutal bösen Lebensszenen, luftig leichte Geschichten zu entwickeln, die man furchtbar gerne liest. Oft sind es ja kanadische Autor(inn)en, die besonders gute Kurzgeschichten schreiben können, Margaret Atwood etwa oder Alice Munro. Der 45-jährige Smith, der erst mit 36 Jahren das literarische Schreiben für sich entdeckte, als er an einem Schreibkursus teilnahm, passt bestens in diese Tradition. Seine amüsanten Erzählungen von Versuchen und Versagen verpackt er in bittersüße Bilder und frappierende Erkenntnisse.

Da ist An, die mit dem Gefühl, unendliche Freiheiten zu haben, nicht mehr klar kommt und mit dem schwulen Jacob ein Kind bekommt. Sie erzählt dem an Schläuche angeschlossenen Frühchen, dem sie vorsichtshalber keinen Namen gibt, sondern es nur "B" nennt, ihr Leben. Smith nutzt die wissenschaftliche Schilderung auf der Neugeborenenstation, um das verwirrte Innenleben seiner Helden auszumalen. Die achtjährige Eepie, die bei ihrer depressiven Mutter lebt, reift plötzlich pro Tag einen Monat zu einer Erwachsenen heran. Eine verwitwete Ärztin macht Picknickausflüge mit ihrem eingeäscherten Mann. Als Humortherapie. "Bang Crunch" ist eine einzige Humortherapie. Auch wenn man gar nicht traurig ist.