Hamburg. Dunkelheit zieht immer als Mittel der Provokation. Für eine Band wie Rammstein ist das allerdings bescheidenes Vorgeplänkel. Es grollt wie aus der Hölle. Ein Schneidbrenner frisst ein Rund heraus. Die Silhouette von Sänger Till Lindemann mit Schlachterschürze erscheint im Friedhofslicht. Und 15 000 in der bis unters Dach ausverkauften Color-Line-Arena brüllen auf.

Da brettert es auch schon los, das Rammstein-Gewitter. Sägende Gitarren, immer gleicher dumpfer Stampfrhythmus und der rrrrrolllende Teutonenbariton vom immerzu headbangenden Lindemann formen sich zu einem mulmigen Gesamtkunstwerk der Berliner Industrialrocker. Wenn die konfektionierte Monotonie der Songs vom aktuellen Album "Liebe ist für alle da" wie "Pussy" oder "Wiener Blut" und alten Reißern wie "Du hast", "Keine Lust" oder "Sonne" allzu eintönig wird, explodiert, knallt oder flackert wieder irgendwo irgendwas in der mindestens gleichberechtigten Pyroshow.

Sagenhaft erfolgreich exportiert die Band ihren Skandalrock über Sex, Perversion, Initiation und Gewalt in alle Welt. Überall erntet sie ungehemmte Verehrung. In Deutschland herrscht mindestens ebenso viel Stirnrunzeln. Und wenn zu dem hymnischen Gesang von Till Lindemann die Nationalfarben als Konfetti durch die Halle fliegen, glaubt sich mancher in der Vorhölle angekommen. Irgendwie erwartet man ja, dass die Musiker da oben sich aufführen, als wollten sie Gefangene nehmen. Doch dazu wirken die sechs wieder viel zu teddyhaft harmlos. Wenn Lindemann wie ein Samson archaischen Schrittes über die Bühne stapft, nimmt man ihm kaum ab, dass er eine Peitsche schwingen und sich an den "roten Striemen auf weißer Haut" erfreuen könnte, die er so inbrünstig in "Weißes Fleisch" besingt.

Die dunkle Eisen- und Metallshow, die Nieten, die gehängten, baumelnden Puppen, das Pathos - all das hat in seiner Künstlichkeit weniger was von Geisterbahn als von schwarzem Varieté. Nie haben die Berliner, die sich gern als aufrechte Linke geben, den Tabubruch so vorangetrieben, dass er sich nicht noch gut verkauft hätte. Bestes Beispiel: das aktuelle Album. Der indizierte Song "Ich tu dir weh" erklingt an diesem Abend, anders als bei früheren Auftritten während der Tour, nicht. Ein Bühnenarbeiter muss sich anstelle des erkrankten Keyboarders Christoph "Flake" Lorenz in einer Badewanne von Lindemann mit Feuer besprühen lassen. "Asche zu Asche" erdröhnt. Letztlich bleibt es ein mit gigantischem Aufwand betriebenes Rock-Spektakel. Mehr aber auch nicht.