“Der Mann aus London“ heißt der zugrunde liegende Roman von Georges Simenon.

"Der Mann aus London" heißt der zugrunde liegende Roman von Georges Simenon. Doch wer nun einen Krimi mit Action, Spannung und finaler Auflösung erwartet, sieht sich getäuscht. Der ungarische Regisseur Béla Tarr hat von Simenons Buch nur das Gerüst stehen lassen, eine Geschichte um Schuld und Sühne, angesiedelt in einem Niemandsland aus Nacht und Nebel, das im streng stilisierten und kontrastreichen Schwarz-Weiß wie ein zweiter Hauptdarsteller wirkt. Nur selten wird das eigentümlich glänzende Dunkel durch gleißendes Licht erhellt. Schon der Beginn des Films macht deutlich, dass Tarr der Langsamkeit vertraut. Mehrere Minuten lang fährt die Kamera von Fred Kelemen am Bug eines Passagierdampfers entlang, dabei wechselt sie langsam die Seiten, von links nach rechts und wieder zurück. Gelegentlich vorbeigleitende, unscharfe Fensterkreuze belegen, dass die Kamera mit den Augen der Hauptfigur blickt: Maloin (Miroslav Krobot), Gleisrangierer im Hafen, beobachtet von seinem einsamen, monotonen Arbeitsplatz aus, wie ein Mann einen anderen im Streit um einen Koffer tötet.

Später fischt Maloin den Koffer aus dem Wasser. Er ist voller Geld. Plötzlich interessieren sich der Mörder (János Derzsi) und Inspektor Morrison (István Lénárt) für Maloin, der aber mit seiner unzufriedenen Ehefrau (Tilda Swinton) und der Sorge um seine Tochter Henriette (Erika Bók) genug am Hals hat.

Doch hier geht es gar nicht so sehr um eine lineare Handlung, sondern um die Verfassung eines Mannes, der mit dem Leben schon abgeschlossen hat. Desillusioniert geht er seiner Arbeit nach, stoisch erträgt er die Schimpftiraden seiner Frau. Vieles zeigt der Regisseur gar nicht - wie den Totschlag in Notwehr, der sich hinter geschlossener Tür ereignet, bei Unterhaltungen sind nur das Gesicht und die Reaktion des Zuhörenden zu sehen. Und dann immer wieder die elegant gleitende Kamera, die in langen Einstellungen Räume erschließt und neue Zusammenhänge herstellt. "The Man from London" ist ein faszinierendes Meisterwerk - so ganz anders als all jene Filme, die momentan die Kinos verstopfen.

+++++ The Man from London H/F/D 2007, 139 Min., R: Bela Tarr, D: Miroslav Krobot, Tilda Swinton, Erika Bók, János Derzsi, István Lénárt, täglich im Metropolis; www.basisfilm.de