Er gilt als der Undercover-Aufklärer schlechthin. Er schlich sich in Callcenter ein, gab sich als Ali der Gastarbeiter oder zuletzt als Afrikaner aus, um zu gucken, wie es ist, ein Fremder im eigenen Land zu sein. So weit, so investigativ, Herr Wallraff.

Aber man braucht sich dafür nicht zu verkleiden. Menschen sehen Fremde überall. Das erste Mal passierte es mir mit elf am Postschalter. Der Beamte fragte, als ich einen Brief an den Brieffreund in Kapstadt aufgab: "Bist du Deutsche?" Eh ich antwortete, sagte er überzeugt: "Nee, Griechin, ne? Hübsch wiede bist." Ich nickte hilflos, es schien ihn glücklich zu machen. Fröhlich zwinkerte er und redete in Kleinkindphrasen: "Brief! Marke! Verstähn?", begleitet von Gebärden. Es war lustig und traurig zugleich.

Er blieb nicht der Einzige. Ich werde so häufig, dass es auffällt, von Deutschen für eine Griechin, Französin, Türkin oder Russin gehalten; von Italienern für eine Italienerin - nur als ich selbst komme ich selten vor. Und als Schwedin gleich gar nicht. Ich spüre den prüfenden Blick, wenn ich ein Hotel, einen Bus, ein Museum betrete, der sich erst löst, wenn ich spreche. Oft beginnt es auch mit "Sind Sie Deutsche?" und endet damit, dass man mir nicht glaubt. Wie neulich, als mir der Physikprofessor auf Durchreise auf mein "Äh, ja" antwortete: "Sind Sie sicher? Sie sehen gar nicht so aus!" Entschuldigung, wie sehe ich denn aus, wie ein Waldnashorn? Und was ist das überhaupt für eine Frage, ist die Antwort von Belang - wollten wir nicht längst woanders sein?!

Manchmal bin ich wieder elf und nicke, wenn jemand meint, mich als die dunkle Fremde erkannt zu haben. Ich höre Kleinkindsprech wie "Hamburg schön, ja?" in alberner Lautstärke. Ich antworte mit komplizierten Fremdwörtern. "Sie aber gutt Deutsch!" - "Danke, Sie ja nicht so gut, sind Sie hier wirklich geboren?" Ich genieße das Begreifen im Antlitz des Gegenübers: Wie es ist, als Fremder angeschaut zu werden.

Manchmal hat Xenophobie aber auch heitere Seiten. Wenn ein Herr meint, ich sei ganz bestimmt aus Frankreich, liegt so ein anbetendes Glimmen in seinen Augen. Es verpufft, wenn ich sage: "Nee, aus Bielefeld-Ubbedissen, woll."

Er macht herrlich fremde Kunst und schätzt Humor als Waffe: Bildhauer, Videokünstler und Fotograf Erwin Wurm im Gespräch mit Uta Grosenick, Do 17.12., 19.00, Buchhandlung Sautter + Lackmann, Admiralitätstraße 71/72 (U Rödingsmarkt), Eintritt frei; www.sautter-lackmann.de

Nina George schreibt jede Woche in LIVE und liebt Hamburg.