Tolle Verpackung, lahmer Inhalt: Donnerstag startet James Camerons Multimedia-Spektakel in den Kinos.

Hamburg. Ist der Inhalt besonders mickrig, kommt die Verpackung oft umso schriller daher. Anders gesagt: Wer besonders laut schreit, hat nicht zwangsläufig viel zu verkaufen. Aber ist von einem 300-Millionen-Dollar-Budget und nicht weniger als der Neuerfindung des Kinos die Rede, dann fallen viele in den Chor der Schreihälse mit ein. In etwa so verhält es sich mit dem Science Fiction-Spektakel "Avatar - Aufbruch nach Pandora" von James Cameron, dem bereits Monate vor Filmstart Rekorde an den Kinokassen vorausgesagt werden. Seit der Regisseur mit "Titanic" den erfolgreichsten Film der jüngeren Kinogeschichte vorgelegt hat (Einspielergebnis: 1,8 Milliarden Dollar) spricht man in der Branche auch gern vom "Cameron-Effekt": besser, größer, teurer - und profitabler.

In Wahrheit erzählt "Avatar" eine fast rührend kleine Geschichte, die gerade im Gegensatz zur optischen Überfülle besonders naiv daherkommt. Der querschnittsgelähmte Ex-Marine Jake (Sam Worthington) wird in die Kunstwelt Pandora geflogen, wo er das dort lebende naturverbundene Volk zu vordergründig wissenschaftlichen (tatsächlich wirtschaftlichen) Zwecken ausspionieren soll. Dafür verwandelt er sich in einen "Avatar", eine im Labor erschaffene Figur, die den Pandora-Bewohnern ähnelt. Er verliebt sich in ein blau gestreiftes Alienmädchen, es zeigt ihm seine Welt, schließlich kämpft er mit ihm gegen den Angriff aufs Regenwald-Refugium. "Titanic", denkt man spätestens nach der Hälfte des Films, war dagegen ein geradezu komplexer Film.

Das gleichnamige Computerspiel "Avatar" steht bereits seit ein paar Tagen in den Regalen, die Spieleentwickler haben nicht etwa ein Merchandisingprodukt zum Film erfunden, sondern waren maßgeblich an der Entwicklung einiger (späterer Film-)Figuren beteiligt. Eine gute halbe Stunde kann man sich an den computeranimierten 3-D-Bildern des Films berauschen: Man rast durch Lichttunnel, die Lianen im Regenwald klatschen einem beinahe ins Gesicht, die Reißzähne der Flugsaurier scheinen nur Millimeter entfernt. Bisweilen fährt die Kamera so nah an Sigourney Weaver als Wissenschaftlerin Dr. Augustine heran, dass die Schattierungen ihrer Zahnbeläge zu bestaunen sind. Von den computersimulierten Flügen der Helikopterflotte über die schwindelerregenden Felsschluchten bis hin zur Homebase der Forschertruppe sieht die dreidimensionale "Avatar"-Welt durchweg beeindruckend aus.

Nur die Hauptfiguren, die Na'vi-Krieger, erinnern leider an Mitglieder der Blue Man Group mit Six-Pack-Bauchmuskeln, spitzen Spock-Ohren und Holzperlen im Haar. Die blau leuchtende Körperfarbe wirkt wie mit dem Wasserfarbmalkasten aufgepinselt. Dafür, dass Cameron und sein Team angeblich Monate damit zugebracht haben, den Schimmer von Sonnenlicht auf ihre Haut zu konstruieren, ist das Ergebnis ziemlich enttäuschend. "Avatar" braucht volle anderthalb Stunden, bis Jake von seiner Freundin Neytiri gelernt hat, wie man mit Pfeil und Bogen schießt und die seltsame, vor allem aus Konsonanten und rollenden Rs bestehende Geheimsprache spricht. Die letzte halbe Stunde ist ausschließlich dem Angriff der Kampfroboter und der gepanzerten Luftschiffe vorbehalten. Gut gegen Böse kann ziemlich öde sein - ganz gleich, wie viel Aufwand darauf verschwendet wurde, das Superlativ-Spektakel gut aussehen zu lassen.

Romantische Komödien könne doch jeder, hat Cameron auf die Frage gesagt, warum ihn kostengünstigere Kinokunst nicht interessiere. Romantische Komödien, muss man ihm antworten, kann nur, wer eine gute Geschichte zu erzählen hat. Alle anderen müssen eben protzen, damit ihr Film nach was aussieht. Wahre Profis tun das mit 300 Millionen Dollar und in 3-D.