1960 wurde er mit den Beatles in Hamburg bekannt und später weltberühmt. Doch nach der Trennung der Fab Four ging McCartney erst einmal durch ein tiefes Tal - bis ihn seine eigenen Songs retteten.

Hamburg. Vier Sekunden soll es gedauert haben, bis Sir Pauls Konzert am 22. Dezember in der Londoner O2-Arena ausverkauft war. Und auch in Hamburgs Color-Line-Arena versammelten sich gestern 12 000 Fans, um ihn wie einst im Kaiserkeller mit "Mach Schau!"-Rufen anzufeuern. Ihn, den einstigen Sänger und Bassisten der berühmtesten Popband der Welt, Autor des meistgecoverten Liedes "Yesterday" sowie zeitloser Songs wie "Hey Jude" oder "Let It Be". Milliardär. Tierschutz-Aktivist. Großgrundbesitzer in Schottland. Und doch musste "Macca" einige Krisen meistern, allen voran den Krebstod seiner ersten Ehefrau Linda 1998, die Scheidung von seiner zweiten Frau Heather Mills 2008 - und die Zeit unmittelbar nach dem Ende der Beatles.

"Und der eine sagt zum anderen: Ich hoffe, du hast Spaß", sang Paul McCartney im Dezember 1973 im Song "Band On The Run". Mit dem Spaß war es für Paul, der bei den Fab Four die Rolle des lausbübischen Mädchenschwarms abonniert hatte, in den Vorjahren vorbei. Seine ersten Solo-Alben "McCartney" (1970) und "Ram" (1971), wurden trotz respektabler Charts-Erfolge von den Kritikern verhöhnt, der "Ram"-Nachfolger "Wild Life" schaffte es in Amerika und Großbritannien 1971 nicht einmal mehr in die Top Ten. Paul McCartney, zu Beatles-Zeiten Everybody's Darling, war mit seiner Band Wings zu dieser Zeit medial etwa so angesehen wie Yoko Ono. Endlich war eine Legende angreifbar geworden.

John Lennon war seinerzeit der schräge "Imagine"-Friedensapostel, George Harrison trotz des geklauten Hits "My Sweet Lord" seit dem Konzert für Bangladesch 1971 unantastbar und selbst der auch für seine Solo-Alben auf die Hilfe seiner Freunde angewiesene Ringo Starr wurde respektiert.

McCartney aber war Hiob geworden, Verkünder des Beatles-Endes, Kläger gegen seine Fab-Freunde.

Aber Album und Single "Band On The Run" und der 007-Titelsong "Live And Let Die" waren 1973 der Befreiungsschlag aus der Depression und neben "Mull Of Kintyre" (1977) seine großen Solo-Hits, die bis heute zu den Konzert-Höhepunkten zählen.

Doch je mehr Jahre vergingen, desto stärker konzentrierte sich die Beatles-Nostalgie auf die Person McCartney. Die andere Hälfte des Songwriter-Duos Lennon/McCartney wurde 1980 ermordet, George Harrison starb 2001 und Ringo kann nicht so gut singen. So liegt es an McCartney, die Live-Sehnsucht nach den Beatles zu empfangen und zu bedienen. Dass er im Jahr 2002 zwei Millionen Euro durch CD-Verkäufe, aber 65 Millionen Euro durch Konzerte eingenommen haben soll, dürfte wohl daran liegen, dass auf seinen Alben (zuletzt erschien 2007 "Memory Almost Full") keine Beatles-Songs zu hören sind, live aber sehr wohl. 1970 verleugnete er das Beatles-Dasein, aber erst die konzertante Rückbesinnung machte ihn bis heute erfolgreich. "Get Back" ist also der wahrhaftigste Song, den er geschrieben hat.