Nach der Show seines 14-köpfigen Musikerkollektivs am Montag feierten 22 000 Fans gestern Naidoos Soloauftritt.

Hamburg. Den "Mut zur Veränderung", über den er zum Auftakt sang, brauchte Xavier Naidoo nicht: Die Kulisse in der Color-Line-Arena konnte Deutschlands populärster Soulsänger gestern komplett vom Vorabend übernehmen - eine Segnung des Konzeptes Doppelkonzert. Erst die Söhne Mannheims, dann Naidoos Solo im gleichen Saal - so läuft die Tournee. Mit Erfolg: Mehr als 22 000 Fans kamen in Hamburg insgesamt, gut die Hälfte davon gestern zum Kapitel "Alles kann besser werden". Mit diesem und vielen anderen Songs des aktuellen Albums, den einschlägigen Hits seiner Karriere und musikalisch opulenten Arrangements begeisterte Naidoo die Menschen in der nicht ganz ausverkauften Arena. Und knüpfte nahtlos an den Montag an: Mit den von ihm gegründeten Söhnen Mannheims, bei denen er sich auch als Akteur in der zweiten Reihe sichtlich wohlfühlt, hatte er schon einen triumphalen Abend erlebt.

Selbstironie kann eine sinnvolle Strategie sein, mit Kritik umzugehen. Die Söhne haben diese Taktik für sich entdeckt: Von vielen Feuilletons gern als "Boygroup" geschmäht, die imSchatten ihres großen Gründers verblasst, kontert das Kollektiv mit einer Choreografie, die genau das ist: ein Take-That-tauglicher Boygroup-Tanz, mitten im Publikum, perfekt synchron und spitzbübisch grinsend vorgeführt.

Der Shuffle auf dem weit ins Parkett reichenden Bühnenausleger war einer der vielen starken Montag-Momente in der zweieinhalbstündigen Show, die sich in den Stilkoordinaten Soul, Pop, Hip-Hop und Rock bewegte - mit einem Xavier Naidoo, der die anderen Söhne stimmlich tatsächlich in den Schatten stellte.

Bevor die weiße Leinwand fiel und den Blick freigab auf den Bühnenaltar mit seiner überdimensionalen Diskokugel im Zentrum, hatte Lokalmatador Denyo von den Beginnern als Dennis Lisk die Arena mit "Lass los" und anderen Solonummern auf Betriebstemperatur gebracht. So hatten die Mannheimer noch leichteres Spiel: "Iz on heißt so viel wie jetzt geht's los, ... nehmt eure Hände aus dem Schoß, ... Jungs, wir schlagen los" - der Opener und Titelsong der jüngsten CD ist so plakativ getextet wie viele andere Söhne-Songs auch. Das Stück leitete ein recht rockig arrangiertes ersten Drittel ein; dem folgten die kuschelige Unplugged-Passage à la "Wettsingen in Schwetzingen", ein Querschnitt durch das Gesamtwerk und ein feines Finale mit zwei Zugabeblöcken.

Dass die Söhne Mannheims dabei auch mal ganz, ganz tief in die Kitsch-und Klischee-Kiste griffen, störte niemanden: Begeisterung allenthalben für das sonnenaufgangsrote Licht zu "Das hat die Welt noch nicht gesehen", für den an eine eher lächerliche Massen-Aerobicstunde erinnernden Hüpfkursus zu "Wir haben allen Göttern abgeschwor'n", für schamlos platte Komplimente ans Publikum ("Ihr seid ja nordische Schmusebären!"). Wohl eher gedankenlos denn gläubig stimmten im kollektiven Taumel Tausende ein in die Lobpreisung Gottes, die Rapper Metaphysics effektvoll im Stile eines Pop-Propheten inszenierte. Sein Auftritt assoziierte unschöne Bilder von ebenso radikalen wie wortgewaltigen US-Fernsehpredigern - und ist trotzdem auch Teil des Mannheim-Phänomens: Die Söhne und ihr Vater sind die Männer für das ganz große Wir-Gefühl - generations- und geschlechtsübergreifend wie der Mix ihres Publikums.

Fotostrecke und mehr zu Naidoo und den Söhnen online: www.abendblatt.de/kultur-live