In ihrer neuen Erzählung “Alsterlust“ singt Ulla Hahn das Loblied der Hamburger Poeten - und lässt sie auftreten, als seien sie nie gestorben.

Hamburg. Die Hamburger Schriftstellerin Ulla Hahn hat eine heitere Satire über die Stadt und ihre Dichter geschrieben, der Titel: "Alsterlust". Die Geschichte über eine junge Frau, die aus dem Rheinland nach Hamburg kommt und hier ein Liebes-Literatur-Abenteuer erlebt, das in einem Literaturfestival auf der Alster gipfelt, trägt auch autobiografische Züge.

Heute Abend wird der schmale, mit gemalten Alsteransichten von Klaus Fußmann, Friedel Anderson und Till Warwas illustrierte Band in der Buchhandlung Felix Jud präsentiert. Wir sprachen mit der Autorin über ihre Liebe zu Hamburg und ihre Bewunderung für norddeutsche Dichter.

Das Abendblatt druckt zwischen Weihnachten und Neujahr drei längere Ausschnitte aus Ulla Hahns Erzählung.

ABENDBLATT: In 'Alsterlust' beschreiben Sie schöne Hamburg-Stimmungen, die eigentlich nur durch Dichter entstehen - lebende wie solche aus vergangenen Zeiten. Haben Sie denn das Gefühl, dass Hamburg mit seinen Dichtern nicht pfleglich umgeht?

ULLA HAHN: Hamburg hat eher einen Sinn für das Repräsentative. Oper, Theater, die bildende Kunst. Mit Literatur lässt sich meist weniger hermachen. Aber was heißt 'pfleglich'? Für junge Autoren wird mit Stipendien und ersten Veröffentlichungsmöglichkeiten einiges getan. Anders ist es um ältere Autoren bestellt, nicht nur in Hamburg. Sie haben ein Leben lang geschrieben, in die Künstlersozialkasse eingezahlt, und dann kommt der Rentenbescheid, der nur allzu oft knapp über Hartz IV liegt. Oft schämen die Kollegen sich, dies offen zu sagen. Hier könnte Hamburg ein Zeichen setzen.

ABENDBLATT: In der 'Alsterlust' sind ja auch die alten Dichter wieder jung und unternehmungslustig. Warum haben Sie deren Namen verdreht?

HAHN: Einmal, weil es mir Spaß gemacht hat. Aber die verdrehten Namen sollen auch neugierig darauf machen, wer denn dahinter steckt. Die toten Dichter werden dadurch viel lebendiger. Und auch ein bisschen komisch und gespenstisch. Jedenfalls runter vom Sockel.

ABENDBLATT: Wie viel Biografie steckt in dem Text, vor allem, über das erste Erleben der Stadt?

HAHN: Es steckt einiges an Biografie in dem Text, allerdings eher Bezüge zu meinem jetzigen Leben, etwa meine Begeisterung für Fußball oder für die gute Wurst von Bauer Bluschke auf dem Isemarkt. Mein erstes Erleben der Stadt, Anfang der siebziger Jahre, spielte sich hauptsächlich in vier Wänden in Eppendorf ab, wo ich meine Doktorarbeit zu Ende geschrieben habe. Nix Alsterlust! Die kam erst viel später.

ABENDBLATT: Sie leben jetzt selbst an der Alster - sind sie eigentlich oft und immer noch begeistert, diesen Teil Hamburgs zu sehen?

HAHN: Na und ob! Nicht zuletzt aus dieser Begeisterung ist ja die "Alsterlust" entstanden. Beinah jeden Morgen sehe ich beim Joggen einen Angler am Ufer sitzen, laufe am Cliff und am Denkmal eines gewissen Friedrich aus meinem Buch vorbei. Oft gehe ich auch einmal ganz um die Außenalster herum, das beste Mittel, die Phantasie so richtig in Wallung zu bringen. Da kann es schon mal vorkommen, dass einem tote Dichter so gut wie lebende begegnen.

ABENDBLATT: Haben Sie während der Arbeit an dem "Alsterlust"-Buch noch etwas Neues über Hamburg dazugelernt?

HAHN: Die wichtigsten Namen kannte ich schon. Aber dann war ich doch überrascht, wie viele Dichter mit Hamburg in Verbindung standen. Sicher werden einige auch vermisst werden, aber ich wollte ja kein Lexikon schreiben. Und dann die Stifter und Sponsoren! Ohne die ging und geht gar nichts im kulturellen Leben dieser Stadt. Auch sie haben in Hamburg eine bedeutende Geschichte. Das ist mir noch einmal sehr klar geworden.

ABENDBLATT: Haben Sie eine Lieblingsdichterin, ein Lieblingsgedicht aus dem Text - und wenn ja, warum gerade diese?

HAHN: Ja. Gertrud Kolmar. Von den Nazis nach Auschwitz deportiert und dort umgebracht. In den Dreißigerjahren lebte sie für kurze Zeit als Erzieherin in Hamburg, im Frauenthal. Ich habe schon Anfang der Achtzigerjahre Gedichte von ihr herausgegeben und mich immer wieder für ihr Werk eingesetzt. Sie hat ein großartiges Gedicht "Die Stadt" geschrieben, in dem man heute noch den Weg längs der Alster vom Bootssteg vor unserer Haustür bis in die Hamburger Innenstadt verfolgen kann. Als ich Anfang der Neunzigerjahre dorthin zog, hat es mich tief berührt, dass wir Nachbarinnen gewesen wären.

ABENDBLATT: Und welcher Poet ist Ihnen am sympathischsten aus Ihrem "Alsterlust"-Figurenkreis?

HAHN: Am Nächsten steht mir wohl doch Peter Rühmkorf. Leider muss der in meinem Buch an Bord bleiben, wenn wir, die Lebenden, zur Geisterstunde das Schiff verlassen müssen. Aber wenn Sie mich fragen, mit wem ich - außer mit Gertrud Kolmar - am liebsten einmal eine Bootstour machen würde, dann mit Lerschill, Nehei und Cesbrock.

ABENDBLATT: Wollten Sie mit 'Alsterlust' den Dichtern und Künstlern der Stadt ein Denkmal setzen und beweisen, dass Hamburg gar nicht so kunstfern und nicht nur eine 'Stadt der Pfeffersäcke' ist?

HAHN: Wenn ich erzähle, dann aus Freude am Fabulieren, nicht am Argumentieren. Wollte ich etwas 'beweisen', würde ich einen Artikel schreiben. Nein, es war die Idee, eine Handvoll berühmter Dichter, die mit Hamburg in Beziehung stehen, aus ihrer musealen Versenkung zu holen und die Lust an der Literatur mit einer Liebesgeschichte zu verbinden. Und ich hoffe, wer meine Geschichte liest, wird etwas von dieser Liebeslust spüren. Hamburg kann nicht nur stolz sein auf Handel und Hafen, sondern auch auf seine Dichter, lebendige und tote. Aber Sie haben mit Ihrer Eingangsfrage recht: Stolz sein allein genügt nicht. 'Pfleglich' behandeln sollte man seine Dichter auch. Vorallem die lebenden.

Ulla Hahn liest am 1. Dezember in der Buchhandlung Felix Jud, Neuer Wall 13, aus ihrem Buch, anwesend sind auch die Maler Klaus Fußmann, Friedel Anderson und Till Warwas, deren Buch-Illustrationen zur Alster ausgestellt werden, 19 Uhr (ausverkauft).

Das Buch "Alsterlust" ist bei Felix Jud erhältlich für 38 Euro; Vorzugsausgabe mit einem Linolschnitt von Klaus Fußmann 248 Euro.