Hamburg. Ewig und drei Tage ist es her, dass Frauen auf dem College-Campus noch auffielen. Damals gab es noch keine Kontaktlinsen für eitle Brillenschlangen. "Verdammt lange her" ist es auch, dass "Donkeys' Years", so der Originaltitel von Michael Frayns Stück, uraufgeführt wurde. Nämlich 1976. Rüdiger Burbach hat die vom Autor aufgefrischte Fassung am Ernst-Deutsch-Theater inszeniert. Zur Premiere kam Frayn und applaudierte den Darstellern. Unter ihnen spielten sich Stephan Benson und Konstantin Graudus als superkomödiantische Turbochaoten an die Spitze.

Zwar reicht "Verdammt lang her" nicht ganz an Frayns ebenfalls an der Mundsburg gezeigten Bühnenbrüller "Der nackte Wahnsinn" heran. Doch dank der unbarmherzigen Logik des Autors und der präzisen Regie funktioniert der Mechanismus des Versteck- und Verkleidungsspiels perfekt. Er gerät - gut geölt durch reichlich Alkohol - verlässlich in Schwung und gipfelt in einer sturzbesoffenen Posse, in der sich Bensons Bildungspolitiker und angehender Minister bis auf die Knochen blamiert. Die Briten lieben es, auf der Bühne ihre Politiker vorzuführen, wie schon in Burbachs "Feelgood"-Inszenierung zu sehen war.

Unter den Kumpeln ist Lady Rosemary Driver (Leslie Malton) die einzige Dame. Damals die Flamme der jungen Kerle und nun Rektorsgattin, bringt sie die zu Flegeln mutierte Männerhorde zusätzlich auf Touren. Unter ihnen ein bulliger Chirurg (Volker Niederfahrenhorst), Pfarrerschwuchtel Dickie (Frank Jordan), die schreibende "Tante Norman" (Oliver Warsitz) und der auf Sex mit der rotlockigen Rosemary spitze Jungprofessor Bill (Felix Lohrengel). Den Außenseiter Snell gibt Graudus als durchgeknallten Spinner, Malton spielt die schusselige Lady zwischen aufgewühlten Gefühlen, versteckter Geilheit und vornehmem Haltungwahren.

Hat der erste Akt noch Züge einer Gesellschaftssatire über britisches Klassendenken und bröckelndes Bildungswesen, kippt das Stück dann entschieden in die absurde Farce. Präzise getimt, mit klar gesetzten Pointen und genau gezeichneten Typen gerät die Hetzjagd nie zum billigen Klamauk. Die Schauspieler nehmen die Figuren ernst, aus deren Panik entsteht die Situationskomik: Lady Driver beichtet eitel ohne Brille dem falschen Mann ihr Herzensgeheimnis, Snell will verpasste Jugendsünden nachholen und der Bildungspolitiker nicht seine Ministerkarriere aufs Spiel setzen. Ein stoischer Fels in der Woge der Aufregung bleibt das alte Faktotum Birkett (Heinz W. Krückeberg): jeder Zoll ein College-Zerberus mit Melone. Er behält den Durchblick im Chaos aus Kurzsichtigkeit und Verzweiflung.

Verdammt lange her bis 9.1.2010, Ernst-Deutsch-Theater, Karten unter T. 22 70 14 20.