Comics, Kunst und Einkaufszentren: Bei der “blatt“-Eröffnung stellten Hamburger Herausgeber ihre Magazine vor.

Hamburg. Drangvolle Enge in der Art Lawyer Gallery: Drinnen geht es schon lange vor Ausstellungsbeginn weder vor noch zurück, und draußen auf der Königstraße drücken sich zu spät Gekommene die Nasen an der Scheibe platt. Mittendrin Organisator Alain Bieber, der "blatt", die erste Hamburger Ausstellung unabhängig produzierter Magazine, mit den Worten einleitet: "Wir alle lieben doch diese haptischen Gesamtkunstwerke", um dann elf Herausgebern Gelegenheit zu geben, ihre Arbeiten vorzustellen.

Schon die Masse der hier ausliegenden und an den Wänden hängenden Drucksachen ist schlicht überwältigend, aber auch Qualität und inhaltliche Bandbreite überraschen. Die reicht vom katalogdicken Kunstmagazin in 6000er-Auflage bis zum Stadtteilheft im A5-Format mit starkem Bezug zum FC St. Pauli. Vereint sind die Macher, die hier größtenteils erstmals aufeinandertreffen und sofort beginnen, sich über Vertriebserfahrungen oder Anzeigenakquise auszutauschen, in der Begeisterung für ihre Arbeit. Die bringt zwar kein Geld ein, bietet dafür aber eine geradezu grenzenlose inhaltliche Freiheit. Und um die geht es ihnen.

Zum Beispiel den Herausgeberinnen von "Spring", einem jährlich erscheinenden Heft, das sich jeweils einem Themenschwerpunkt widmet. Originelle Comics und Zeichnungen verbinden sich auch in der aktuellen Ausgabe ("Verbrechen") zu einem 172-seitigen Lese- und Schauvergnügen. Besonderer Clou: Die im Heft geschalteten Anzeigen werden von den Zeichnerinnen individuell entworfen und fügen sich deshalb perfekt in die Gesamtoptik ein.

Überhaupt, die Optik: Sie ist für die Macher von "Gudberg" so wichtig, dass sie überhaupt keine störenden Anzeigen für ihr großformatiges, nahezu textfreies "Magazine for Art, Graphic, Design & Photography" annehmen. Inhaltlich lohnt sich der Einsatz schon lange, finanziell vielleicht ab 2010, gibt es doch den Auftrag, für die Fotobuchtage in den Deichtorhallen eine "Gudberg"-Sonderausgabe zu erstellen.

Ebenfalls der bildenden Kunst widmet sich "Dare", das mittlerweile nicht nur im gesamten deutschsprachigen Ausland, sondern sogar in New York zu kaufen ist. In langen diskursiven Texten setzt man sich sehr ausführlich mit verschiedenen Künstlern auseinander - auf jeweils 160 Seiten.

Beeindruckend auch, welch thematische Vielfalt die hier versammelten Magazine abdecken. So taucht beispielsweise das großartige "Spacemag" tief in die Welt der Shopping-Malls ein - von der Reportage über einen komplett im Einkaufszentrum verbrachten Monat bis zum Essay über die Geschichte der Rolltreppe. Kaum zu glauben, dass dieses Schmuckstück in einer Miniauflage von nur 200 Stück erscheint.

Viele Hefte, nicht nur aus Hamburg, werden an diesem Abend verkauft. Was kaum verwundert, bereiten diese "haptischen Gesamtkunstwerke" doch so viel mehr Freude, als das Gros der 08/15-Ware am Bahnhofskiosk.

blatt geöffnet jeweils Sonnabend 14 bis 17 Uhr, Art Lawyer Gallery, Königstraße 16, Eintritt frei; www.gute-seiten.net