Im Krisenjahr 2009 boomt der deutsche Film. Elf Produktionen knackten die Marke von einer Million Zuschauer.

Hamburg. Es ist noch gar nicht so lange her, da konnten die Patenkinder von Eva Hubert, der Chefin der Hamburger Filmförderung, mit dem Beruf ihrer Tante nicht allzu viel anfangen. "Für deutsche Filme", sagt sie, "haben sie sich vor neun, zehn Jahren überhaupt nicht interessiert."

Das hat sich geändert - und zwar nicht nur bei Eva Huberts Patenkindern. Der deutsche Film ist beim Publikum beliebter denn je. Alfred Holighaus, Leiter der Sektion "Perspektive Deutsches Kino" bei der Berlinale, rechnet für 2009 mit einem neuen Besucherrekord für deutsche Filme. Auch Jens Steinbrenner, Sprecher der Allianz Deutscher Produzenten - Film & Fernsehen glaubt an ein Rekordjahr.

Schon jetzt haben elf deutsche Filme die Millionen-Marke geknackt. Zwar schafften das 2008 ebenso viele Produktionen. Doch die umsatzträchtige Weihnachtszeit steht noch bevor. "Wüstenblume", die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers des somalischen Models Waris Dirie, dürfte in den nächsten 14 Tagen die Millionen-Marke erreichen. Potenzielle Blockbuster wie Til Schweigers "Zweiohrküken", der Störtebeker-Film "12 Meter ohne Kopf" oder Fatih Akins "Soul Kitchen" laufen erst in den kommenden Wochen an. Branchenkenner glauben, dass deutsche Filme dieses Jahr deutlich mehr als 36 Millionen Zuschauer in die Kinos locken werden. 2008 waren es 33,9 Millionen. Die bisherige Rekordmarke von 2004, als 36,7 Millionen Zuschauer deutsche Filme sahen, rückt in greifbare Nähe.

Mit Abstand erfolgreichste deutsche Produktion war bisher Bully Herbigs Film "Wickie und die starken Männer", der auf 4,8 Millionen Zuschauer kam. Platz zwei belegt die Literaturverfilmung "Der Vorleser" mit Kate Winslet, die 2,17 Millionen Zuschauer anzog. Streng genommen handelt es sich dabei zwar um eine Hollywood-Produktion. Weil sie aber in Deutschland mit deutschen Fördergeldern und deutschen Koproduzenten gedreht wurde, geht sie als deutsche Produktion durch. Das gilt auch für Quentin Tarrantinos "Inglorious Basterds", die mit 2,09 Millionen Zuschauern auf Platz drei liegt. Dahinter rangieren die Komödie "Männerherzen" (1,98 Millionen Zuschauer) und Mario Barths "Männersache" (1,84 Millionen Zuschauer).

Dass zugleich viele deutsche Filme es erst gar nicht in die Kinos schaffen, bedrückt Berlinale-Leiter Holighaus nicht. "Die Zahl der Produktionen nimmt immer mehr zu", sagt er. Viele Filmemacher wollten sich nur künstlerisch ausprobieren. "Ich glaube nicht, dass jeder Film in die Kinos kommen muss." Auch das Kinosterben widerspreche dem Boom der deutschen Filme nicht. Häufig müssten Lichtspielhäuser, wie zuletzt das Passage-Kino in der Mönckebergstraße, wegen zu hoher Mieten aufgeben. Zudem gebe es den Trend zur Konzentration.

Nach Ansicht von Eva Hubert profitiert auch der Filmstandort Hamburg davon, dass deutsche Produktionen beim Publikum gut ankommen: "Wenn deutsche Filme gern gesehen werden, hilft das allen", sagt sie. Zwar wurde keiner der Filme, die bisher die Millionen-Marke knackten, in Hamburg gedreht oder von Hamburg gefördert. "Wir sind eher mit Arthouse-Produktionen erfolgreich", sagt die Chefin der Filmförderung und meint damit anspruchsvolle Filme, die nicht unbedingt ein Millionenpublikum anziehen.

Aber auch solche Streifen steigen in der Beliebtheit des Publikums: Fatih Akins bei den Filmfestspielen von Venedig ausgezeichnetes Hamburg-Epos "Soul Kitchen" könnte ein Zuschauermagnet werden. Potenzial hat die "Jerry Cotton"-Verfilmung, die als teuerste Hamburger Kinoproduktion des Jahres 2009 nächstes Jahr ins Kino kommt. Und der Verleiher von Detlev Bucks mit Hamburger Geld in Kambodscha gedrehter Liebesgeschichte "Same, same but different" überlegt, den Film in Multiplex-Kinos zu zeigen.