Er hätte in die "Hauptstadt des Weltjudentums", nach New York, gehen können, vor 20 Jahren. Aber Maxim Biller, als Sohn russischer Emigranten 1960 in Prag geboren, entschied sich für die Wahlheimat seiner Eltern, für Deutschland.

Schon als Student fragte er sich, ob er hier richtig sei. Frauen hielten ihn für einen Woody-Allen-Verschnitt, das war eine Zeit lang "süß". Bis eine der Geliebten ihn nachts fragte, ob "die galizischen Juden von allen die schlimmsten seien". Bekannt wurde Biller mit dem Skandal-Roman "Esra", der von einem Gericht verboten wurde, weil sich darin zwei reale Personen wiedererkannten.

In seinem "Selbstporträt" springt der Autor zwischen den Jahren umher. Aber das Buch folgt einer klaren Chronologie. Es geht um das Thema: Jude in Deutschland. Was bedeutet das? Von den jüdischen Weltschriftstellern, vor allem von Philip Roth, "lernte ich, ich selbst zu sein", schreibt er. Stets schleppt er das Schicksal seiner Familie mit sich, die Billers wurden in der NS-Zeit nahezu ausgelöscht. "Jemand wie ich war in Deutschland nicht vorgesehen." Amerikanische Juden "konnten sich diese Leidensmetaphysik sparen". Das hat Biller beeindruckt. Bis er merkte, dass er zu dieser Leichtigkeit nicht fähig war. Die Geschichte des Genozids wiegt schwer. "Ich bin Jude und nichts als Jude, weil ich wie alle Juden nur an mich selbst glaube, und ich habe nicht einmal einen Gott, auf den ich wütend sein könnte ...", heißt es. Seither fährt er diese Offensive mit seiner berüchtigten "Hass"-Kolumne, Büchern und Auftritten. Anders als Marcel Reich-Ranicki, Henryk M. Broder oder Michel Friedman, der für Biller eher zu denen gehört, die aus ihrem Judesein eine Karriere gemacht haben. Im Buch bekommen einige Promis ihr Fett ab. Am meisten Thomas Mann, in dessen Büchern man "in die schmutzige Fantasiewelt der Rassentheoretiker des 19. Jahrhunderts gelangt".

Mehr noch geht es um den weit verbreiteten Antisemitismus, der sich kaum aggressiv zeigt, aber stabil. Ein Buch voller Weltschmerz und Wehmut, exzellent geschrieben, doch auch mit einer großen Verzweiflung. Am Ende hat Maxim Biller es für seine Tochter verfasst; wenn sie mal erwachsen ist, soll sie es lesen. Um zu wissen, was das heißt: Jude in Deutschland.

Maxim Biller: "Der gebrauchte Jude. Ein Selbstporträt." Kiepenheuer & Witsch, 176 S., 16,95 Euro