Ein fesselnder “Tatort“ mit der beliebten Komissarin Maria Furtwängler über die Schattenseiten der modernen Mediengesellschaft.

Jugendliche geben in Internet-Netzwerken bedenkenlos privateste Details von sich preis, in der Boulevardpresse betätigen sich sogenannte Leserreporter dank Handykamera als Paparazzi, und das Versenden von Kurzbotschaften mittels Twitter ist der Trendsport der modernen Mediengesellschaft. Was auch passiert - eine Kamera ist praktisch immer dabei. Jetzt beschäftigt sich ein "Tatort" mit diesem Verschwinden der Privatsphäre und dem grenzenlosen Voyeurismus - Maria Furtwänglers 15. Fall als LKA-Kommissarin Charlotte Lindholm macht aus dem Thema aber kein sprödes Lehrstück, sondern einen spannenden Krimi zum Mitraten.

Lindholm jagt an diesem Sonntag in "Tatort: ... es wird Trauer sein und Schmerz" nach einem Drehbuch der renommierten Schriftstellerin Astrid Paprotta einen Serienkiller, der in der Gegend von Braunschweig unbescholtene Leute erschießt - scheinbar wahllos. Doch Lindholm ahnt, dass es einen Zusammenhang gibt, dass alle Opfer dem Todesschützen etwas angetan haben, für das er sich nun rächt. Und tatsächlich stellt sich heraus, dass einige Zeit zuvor alle im selben Autobahnstau standen, bei dem eine Frau in den Trümmern ihres Autos starb, weil die Rettungskräfte nicht schnell genug durchkamen - wegen fotografierender Gaffer, die rücksichtslos die Straße blockierten.

In diesem Moment ändert sich für den Zuschauer des neuen Furtwängler-"Tatorts" die Perspektive: Aus den Opfern des Todesschützen werden Täter, das Motiv des Killers wirkt plötzlich nachvollziehbar. "Der Zuschauer soll verstehen, warum der Täter zum Täter wird", sagt die für ihre Ina-Henkel-Reihe mehrfach ausgezeichnete Krimiautorin Astrid Paprotta, die Psychologie studiert hat, was man ihrem cleveren Drehbuch durchaus anmerkt.

Regisseur Friedemann Fromm - ebenfalls vielfach ausgezeichnet, darunter gleich mehrfach für "Unter Verdacht" - sorgt aber dafür, dass der Rachefeldzug dennoch nicht verharmlost oder gerechtfertigt wird, indem er sehr eindringlich das Leid bei den Hinterbliebenen der Mordopfer schildert. Schon von Anfang an streut Fromm außerdem Hinweise auf das zentrale Thema des Krimis: Welchen Tatort auch immer Lindholm aufsucht, die Schaulustigen sind schon da, filmen und knipsen die Polizeieinsätze. Fromm setzt diese Spanner als abstoßende Aasgeier in Szene und verweist in einigen Szenen auch aufs Internet: Jugendliche filmen die Schauplätze von Verbrechen und Unfällen und stellen die Videos ins Netz, wo sie zur schnellen Befriedung der Sensationsgier dienen.

In seinem schnörkellos spannenden Film läuft auch Hauptdarstellerin Maria Furtwängler zu großer Form auf, vor allem in einer zentralen Verhörszene glänzt sie mit beredter Mimik. Und sie darf auch wieder Gefühle zeigen - sogar einen vorsichtigen Flirt mit einem Kollegen aus Braunschweig gönnt das Drehbuch der alleinerziehenden Mutter Charlotte Lindholm diesmal.