Jahrzehntelang war der Zyklus des Malers Carl Blechen zwischen Ost und West aufgeteilt, jetzt ist er erstmals komplett zu sehen.

Hamburg. Es ist schon eine mittlere kunstgeschichtliche Sensation, denn nie zuvor konnte man das Amalfi-Skizzenbuch des Berliner Malers Carl Blechen (1798-1840) in seiner Gesamtheit betrachten.

Unter dem ebenso poetischen wie treffenden Titel "Mit Licht gezeichnet" zeigt die Kunsthalle von Freitag an erstmals alle 66 Blätter dieses berühmten Konvoluts. Im Mai 1829 hatte Blechen in der Gegend um Amalfi in einer damals ganz außergewöhnlichen Weise Landschaften mit Bleistift, Sepia und Aquarellfarben gezeichnet, zum Teil wohl direkt vor Ort.

Denn anders als den meisten seiner Malerkollegen ging es ihm nicht darum, berühmte Motive wiederzugeben, er interessierte sich vielmehr für das Atmosphärische der Landschaften, den sich schnell verändernden Eindruck, die vielfältigen Stimmungen von Licht und Schatten.

Das Amalfi-Skizzenbuch ist unter dieser Bezeichnung seit 70 Jahren ein kunstgeschichtlicher Begriff, obwohl es sich eigentlich weder um ein Buch noch um Skizzen handelt. Es ist vielmehr ein Konvolut von atemberaubend kühn komponierten Zeichnungen, die Blechen zwar mit einer handschriftlichen Paginierung versehen, aber niemals als Buch zusammengefasst hat. "Diese Zeichnungen sind kunstgeschichtliche Inkunabeln. Blechen war damit seiner Zeit weit voraus und gilt völlig zu Recht als Vorläufer der Impressionisten", sagt Mareike Hennig, die Kuratorin der Ausstellung, die nach Hamburg auch in Berlin und in der Casa di Goethe in Rom zu sehen sein wird.

Nachdem Blechen 1840 im Alter von nur 42 Jahren an einer Geisteskrankheit starb, erwarb die Berliner Akademie der Künste aus dem Nachlass die Skizzenbücher und Ölskizzen, die lange Zeit auch als Unterrichtsmaterial genutzt wurden. Von Zeit zu Zeit waren einzelne Blätter aus dem Amalfi-Skizzenbuch auf Ausstellungen zu sehen, jedoch nie das gesamte Konvolut, was nicht zuletzt politische Gründe hatte: Zu Kriegsende fielen den Trophäenkommissionen der Roten Armee 19 Blätter in die Hände, die sie als Beutekunst nach Moskau brachten und Mitte der 50er-Jahre an die Ost-Berliner Akademie zurückgaben. Erst nach der Wiedervereinigung der Akademien konnte auch das Amalfi-Skizzenbuch 1993 wiedervereinigt werden.

Schon aus konservatorischen Gründen wird dieser in seiner Art einzigartige Zyklus in absehbarer Zeit kaum wieder komplett gezeigt werden können.

Kunsthalle, Glockengießerwall, 30. Oktober 2009 bis 17. Januar 2010, Di-So 10-18, Do bis 21 Uhr