Die britische Band begeisterte das Publikum bei ihrem Konzert in der ausverkauften Großen Freiheit mit alten Hits und neuen Songs.

Hamburg. Sie tobt in die Light-Show wie ein Meteor mit einem Schweif aus lauter glitzernden Alu-Bändern, springt und rennt, als würde sie von unsichtbaren Gummibändern hin- und hergerissen. Gleich der erste Song ist Programm: "Tear This Place Up", ein neuer fiebriger, lauter Tempo-Knaller, mischt die Fans in der ausverkauften Großen Freiheit tatsächlich sofort auf. "We gonna tear this place up, up, up, up", schreit Skin ihnen entgegen und schwingt den Mikroständer wie ein Laserschwert.

Im Publikum entlädt sich begeisterte Wiedersehensfreude: Acht Jahre nach ihrer Trennung meldet sich Skunk Anansie zurück - mit unverminderter Spielfreude und bekannter Heftigkeit. Selbst die äußerst fähige Vorband ("The Chemists" aus Bristol) hatte am Mittwochabend den aufgestauten Erwartungsdruck nicht lindern können. Den haben die vier Briten dann auch nicht enttäuscht, als sie um 22.10 Uhr endlich auf die Bühne schossen. Frontfrau Skin nahm Bühne und Raum in Besitz wie eh und je: Wenn jemand den Begriff Rampensau verdient hat, dann sie.

Mühelos folgt ihre Stimme ihren leichtathletischen Kapriolen in die Höhe wie von Gas befeuert. In freudiger Wiedererkennung wogt der Saal zu "Charlie Big Potato". Skin reißt das Mikro an sich, dass man Angst um ihre Lippen bekommt, streichelt es, zerkratzt es, ihre Hände scheinen zu flattern vor Nervosität. Erst nach dem fünften Song - "I Can Dream", einer von den neuen - nimmt sie sich atemlos Zeit zur Begrüßung.

Der Druck muss raus - mit dieser Wirkung war das Quartett schon auf dem Höhepunkt der Britpop-Ära in die Szene der Neunziger geplatzt wie ein Aufschrei gegen die hymnenverliebten Kollegen von Blur und Oasis. Als "angry woman" hatte Skin eine Menge mitzuteilen über Politik oder Rassen- und Frauen-Diskriminierung.

Die Botschaften dieser mal unglaublich wütenden, mal zärtlichen Stimme kamen schnell an. Songs wie "Weak", "Hedonism" oder "Twisted" waren auch aus dem Musikfernsehen nicht wegzudenken.

Auf Festivals wie dem Hurricane in Scheeßel waren Skunk Anansie bald gern gesehene Gäste - eine Sängerin, die in engem schwarzem Leder-Outfit aus dem Stand anderthalb Meter hochspringt, sieht man nicht alle Tage. Aber nach sieben erfolgreichen Jahren und drei Alben war die Band 2001 müde.

"Wir haben ein paar Jahre lang geschlafen, aber wir haben auch alle Hände voll mit unseren getrennten Leben zu tun gehabt", sagte Skin jetzt rückblickend in einem Interview mit dem britischen Magazin "Noize". Sie und Gitarrist Ace versuchten sich mit softeren Soloprojekten, Schlagzeuger Mark gründete eine Familie, Bassist Cass wurde Lehrer. Das verwundert nicht bei einer Band, die zwar ein Wut-Image hat, deren Texte aber immer intellektueller waren als Feld- und Wiesen-Rock-'n'-Roll.

Aber das neue Best-of-Album "Smashes & Trashes" wollten sie sich von ihrem Label One Little Indian dann doch nicht aus der Hand nehmen lassen. Die Band spüre noch genug "Energie und Begeisterung" für eine Rückkehr, sagt Skin. Auch Drummer Mark Richardson befand, es gebe noch unvollendete Arbeiten zu erledigen.

Sie wollen nicht nur recyceln, sondern haben auch neue Songs mitgebracht. Zum Beispiel "All Without Sex". Skins Lieblingsthema ist immer noch die Beziehungskiste, die große Lücke zwischen Sehnen und Unverstandensein. "Get off, get off me", röhrt sie in "The Shank Needs". Auf "Hedonism", dem bekanntesten Hit, hat das Publikum nur gewartet, auch zu "Brazen" wird kräftig mitgesungen: "Why do you weep/when I touch you ...?"

Skin lässt sich von der Begeisterung tragen, springt auf das Schlagzeug (!), steigt in die Menge hinunter, schwebt auf Armen, klettert auf die Balkonbrüstung und hält sich balancierend an wildfremden Händen fest. Hamburg sei so schön "lazy", sagt Skin lächelnd mit ihrer sympathischen Klein-Mädchen-Sprechstimme, was kein Mensch versteht angesichts der kollektiven Ausgelassenheit.

Mit ruhigeren Songs wie "You Follow Me On" oder "Squander" stellt die Band unter Beweis, dass sie neben furiosem Rock auch ihre große Balladenfähigkeit behalten hat. Die Menge fordert ausgiebige Zugaben und bekommt sie auch. "Secretly" wird zu einer liebevollen gemeinsamen Abschlussarbeit.

Ein Konzert wie ein Familientreffen - um Mitternacht fühlt sich sogar der Regen draußen warm an.