Bühnenspaß im Großen Haus vor Weihnachten: So faszinierend und quicklebendig kann ein Stück für Theater-Einsteiger sein.

Hamburg. Der schöne Vorhang. Hinter dem roten Samt liegt eine geheimnisvolle Welt. Neugier und Spannung beim Warten auf den Moment, wo er sich lautlos öffnet. So beginnt "richtiges" Theater. Erwachsene Besucher bekommen den Vorhang nur mehr selten in den Vorstellungen zu sehen.

Schön, dass das Theater wenigstens bei den "Weihnachtsstücken" für die Kinder noch seinen "alten" Zauber bewahrt, der so ganz anders funktioniert als das Anknipsen der Glotze oder Aufschlagen eines Buches. Vorhang auf - und Erich Kästners ewig junges Jugendbuch von "Pünktchen und Anton" wird in Katharina Wieneckes entzückender, komischer und auch lehrreicher Schauspielhaus-Inszenierung quicklebendig. Pünktchen gewinnt auf Anhieb die Zuschauer. Marina Lubrich spielt das kesse Gör mit dem Herzen auf dem rechten Fleck: aufgeweckt und ein bisschen altklug, schnippisch und noch verspielt - wenn sie ihren Dackel Piefke zum Rasieren einschäumt. Der Holzhund und sie tragen eine rote Baskenmütze. Friseur Habekuss klappt seinen Laden einfach aus Antons marodem Mietshaus heraus. Dort wohnt der Junge mit seiner kranken Mutter. Er kocht für sie Essen, geht nebenbei zur Schule und muss abends noch Geld durch Bettelei auf der Brücke verdienen.

Hier begegnen sich in Kästners "wahrer Geschichte" das kleine vorlaute, aber nicht verzogene Mädchen aus reichem Haus und der arme, brave Anton (Anton Pleva). Denn das Kindermädchen Fräulein Andacht geht heimlich mit Pünktchen betteln.

Wie aus riesigen Modell-Bastelbögen haben die Bühnenbildner Georg & Paul bunt bemalte "Papierhäuser" ausgeschnitten und auf die rotierende Drehscheibe gestellt. Auch die weiße Villa von Pünktchens reichem Vater Pogge (ewig in Hetze, Geld zu scheffeln: Hanns Jörg Krumpholz) samt Esszimmer und Eingangstür mit Löwen. Die aufgetakelte "vornehme" Mama (Sandra Maria Schöner) hat für Pünktchen ebenfalls nie Zeit. Entweder geht sie einkaufen, hat Migräne oder besucht die Oper. Fräulein Andacht (so ulkig verschroben wie verlogen: Marlen Diekhoff) hat freie Bahn für ihr Doppelspiel. Zum Glück für Anton (Anton Pleva). Zum Pech für die in einen Ganoven verknallte Gouvernante.

Die Kaschemmen-Unterwelt von Robert dem Teufel (Achim Buch) fährt aus dem Orchestergraben hoch. Hier wird noch Tango getanzt. Muss echt die Hölle sein für die viel lieber zu Rap und Techno-Beat hopsenden Kids. Die Band musiziert aber schmissig, spielt und singt mit Patricia Rieckhoff die lustigen Lieder von Michael Batz (Text) und Markus Voigt (Musik). Nachdem der Einbrecher in Kasperltheaterart zum Vergnügen der kleinen Zuschauer geprügelt und gefangen ist, tanzen der baumlange dünne Polizist und die kleine runde Köchin Berta (Juliane Koren) fröhlich zum Likörchenlied: "Niemand schlägt so schön wie Berta." Freundschaft und Wahrheit siegen am Ende natürlich über Lüge und Gemeinheit. Sogar der brechtsche Lehrstück-Ton kommt noch flott über die Rampe: "Und willst du nicht gemein sein, dann brauchst du wirklich Mut." Zur Belohnung fahren Pünktchen und Anton, ausgerüstet mit Gummikrokodil, Schwimmreifen und Taucherflossen in Pogges großem Luxusauto an die Nordsee.

Großes Hallo und Tschüs-Gewinke zum Abschied. Vorhang zu. Und Riesenjubel für ein wirklich tolles Theatererlebnis.

Pünktchen und Anton 16., 24., 26., 27., 30. 11. (10 Uhr), 15.11. (15 Uhr), 29.11.(18 Uhr) und im Dezember, Schauspielhaus, Karten: T. 24 87 13 oder www.schauspielhaus.de