Stellen Sie sich eine Wohnung mit Möbeln aus bester Fabrikation vor. Leider haben Sie nur keine Ahnung, welchem Zweck diese Möbel dienen.

Hamburg. Das Sofa: kühn gestaltet, aber aus Stein und mit Kissen aus Glas. Der Tisch: viel zu hoch. Die Stühle: schiefe Sitzflächen. Die Schränke: edle Fronten, aber es passt gar nichts hinein. Solche Wohnungseinrichtung träumt man - oder sie gerät einem vors innere Auge, wenn man das Wayne Shorter Quartet spielen hört.

Der große Saxofonist - Inspirator von Art Blakey, Miles Davis und Weather Report - hat offenbar überhaupt keine Lust mehr auf das, was den Jazz ausmacht: Swing. Songform. Kontinuum. Im Quartett mit Danilo Perez (Klavier), John Patitucci (Bass) und Brian Blade (Schlagzeug) entwickelt Shorter eine von allen Klischees gereinigte Konzertmusik. In der Laeiszhalle war am Montag diese von einer ungeheuren Dynamik angetriebene Kunst zu bewundern, die ungefähr so klang, als hätte Erik Satie den Free Jazz für sich entdeckt. Jeder ließ dem anderen Raum, jeder spielte zugleich volles Risiko. Was in den beiden langen Stücken, die den Großteil des Programms ausmachten, verhandelt wurde, blieb im Dunkeln. Keine Ahnung, welche Informationen die Musiker den gelegentlich zurate gezogenen Notenblättern entnahmen. Die Fetzen der US-Nationalhymne, die sie eine Zeit lang unter Gelächter aufwirbeln ließen, werden es kaum gewesen sein.

Shorters Töne auf dem Sopransaxofon haben immer noch diesen wunderbar introvertierten, farbenreichen Klang, selbst wenn er sie manchmal wie mit dem Schneidbrenner herausschießt. Erst in den beiden hartnäckig erkämpften Zugaben verabreichte das Quartet gnädig ein paar Globuli von Jazz, wie wir ihn kannten - dafür in Hochpotenz.