Bei Burda gilt der frühere “Welt“-Chef Wolfram Weimer als großer Hoffnungsträger. Er tritt jedoch ein schweres Erbe an.

Hamburg. Am Redaktionsstandort in München schien die Sonne, als sich "Focus"-Chef Helmut Markwort gestern mit seinen Ressortleitern zur täglichen Konferenz traf. Kurz vor elf verkündete er ihnen in eigener Sache eine Personalie. Derweil hingen die einfachen "Focus"-Redakteure an den Bildschirmen ihrer PCs.

Dem Intranet des Zeitschriftenhauses Burda entnahmen sie, dass Wolfram Weimer, bisher Chef des Debattenmagazins "Cicero", zum 1. September 2010 Markwort in der "Focus"-Chefredaktion ablösen wird. "Auf den Gängen herrschte Jubel", sagt ein Redakteur. "Es fehlte nicht viel, und die Sektkorken hätten geknallt."

Grund der Freude war freilich nicht der nun exakt terminierte Abschied Markworts. Der "Focus"-Gründer, der im Dezember 73 Jahre alt wird und seine Redaktion wie ein gütiger Patriarch führt, erfreut sich bei den Mitarbeitern des Nachrichten-Magazins großer Beliebtheit. Dass sein Vertrag Ende kommenden Jahres ausläuft, ist lange bekannt.

Die Erleichterung der Redakteure ist der Hoffnung geschuldet, dass sich in der Ära nach Markwort nicht allzu viel ändert. Als Garant der Kontinuität gilt Uli Baur, den Markwort schon im Jahr 2004 zum Kochefredakteur gemacht hatte. In ihm sah er auch seinen Nachfolger. Dass der Verleger Hubert Burda dennoch nach externen Kandidaten für die "Focus"-Chefredaktion fahndete, muss Markwort, der als "Erster Journalist" auch dem Vorstand des Zeitschriftenhauses angehört, irritiert haben.

Die nun gefundene Lösung ist für alle Beteiligten gesichtswahrend. Baur wird mit Weimer künftig eine Doppelspitze bilden. Ob der Neue die Hoffnungen erfüllen kann, die viele in der Redaktion mit ihm verbinden? Weimer sei "ein Mann der Kultur", glaubt einer. Er passe hervorragend zu dem Weg, den das Nachrichtenmagazin mit dem für Anfang 2010 geplanten Relaunch beschreiten will. Ruhiger wird es werden, weniger kleinteilig. Die Texte sollen 20 Prozent länger sein als bisher.

Aber kaum einer bei "Focus" kennt Weimer persönlich. Kaum einer hat damit gerechnet, dass der 44-Jährige in die Chefredaktion des Blattes einziehen wird. Als Favoriten für den Job galten Kandidaten wie "Spiegel"-Autor Gabor Steingart und "WAZ"-Chef Ulrich Reitz.

Für Weimer, bis 2002 Chefredakteur der "Welt", bedeutet der Wechsel zu "Focus" die Rückkehr in die Welt hochauflagiger Titel. Das von ihm 2003 gegründete "Cicero" hat zwar einen guten Ruf, verkauft aber nur 81 000 Exemplare.

"Focus" spielt da mit einer verkauften Auflage von 614 000 Heften in einer ganz anderen Liga. Allerdings hat das Blatt schon bessere Tage gesehen: Noch im dritten Quartal 2003 kam das Magazin auf eine verkaufte Auflage von mehr als 824 000 Exemplaren. Seither ging es fast nur noch abwärts, zuletzt in gestrecktem Galopp: Allein im dritten Quartal 2009 verlor "Focus" 22 Prozent seiner Auflage. Wettbewerber "Spiegel" ist mit 1,04 Millionen verkauften Exemplaren enteilt.

Von Weimer dürfte Burda nicht weniger als die Rückkehr des "Focus" in die Champions League der Wochenmagazine erwarten. Das ist keine leichte Aufgabe, wenn man bedenkt, dass der Titel heftige Einbrüche im Anzeigengeschäft zu verzeichnen hat. Zudem lässt sich auch die publizistische Relevanz von "Focus" gewiss noch steigern.

Wichtige Fragen sind offen: Will Markwort, der Herausgeber bleibt, auch künftig Akzente setzen? Und was hat sein Gegenspieler Philipp Welte vor, der nach Markworts Ausscheiden aus dem Vorstand Anfang 2011 die Verantwortung für den Focus Verlag übernimmt? Bei dem Nachrichtenmagazin bleibt es spannend.