Früher war er Werbetexter, heute schreibt er historische Romane. Mehr als 2,5 Millionen Bücher hat der Hamburger bisher verkauft.

Hamburg. Wie man auffällt, das weiß Wolf Serno noch aus seinem früheren Leben als Werber. Manchmal hilft ihm das in seinem neuen Leben: dem Schriftsteller-Dasein. Die Einladungen zu seiner Lesung heute im Speicherstadtmuseum kamen nicht etwa in einem öden DIN-A5-Briefumschlag oder gar per E-Mail, sondern auf edlem Papier, jede einzelne dekoriert mit einer geschwungenen grau-weißen Möwenfeder. Eigenhändig gesammelt beim Strandspaziergang in Jütland. So etwas übersehen auch Leute nicht, die sich täglich durch Berge von Post kämpfen müssen.

Auch bei seinem ersten Manuskript hat Serno auf Signalwirkung gesetzt - und vielleicht hat dieser Einfall ihn letztlich zu dem gemacht, was er heute ist: einer der erfolgreichsten Schriftsteller Hamburgs. Stolze 2,5 Millionen Mal, das aktuelle Werk "Die Liebe des Wanderchirurgen" noch nicht mitgerechnet, haben sich seine historischen Romane bislang verkauft, in sieben Sprachen sind sie übersetzt.

Signalwirkung hieß in Sernos Fall: ein roter Schuhkarton. Besser gesagt 17 Stück. In die packte Serno jeweils sein 800-Seiten-Manuskript und schickte es an Verlage, deren Adressen er zuvor mithilfe von Telefonbuch und Auskunft ermittelt hatte. Das Ergebnis: Die Kartons landeten nicht auf den ungezählten, mit Verachtung gestraften Papierstapeln auf den Verlagsfußböden; sie fanden ihren Weg in Lektorenhände, wurden geprüft und für lesertauglich befunden.

Und der Erfolg schlug ein, "katapultartig", sagt Serno. "Der Wanderchirurg" erschien 2001 im Münchner Verlag Droemer Knaur und verkaufte sich mehr als 750 000-mal.

Zwölf Jahre ist es nun her, dass der heute 64-Jährige seinen Job als Creative Director bei der Hamburger Werbeagentur BBDO aufgab und beschloss, keine Slogans für Schokoriegel und Windeln mehr zu texten, "keine TV-Spots mehr den Kunden vorzutanzen" - und fortan Romane zu schreiben. Solche, die Literaturkritiker in der Regel nur mit spitzen Fingern anfassen, die Fans aber lieben bis an die Suchtgrenze. In denen es um Geschichte, Medizin und Meer geht - Dinge, die Serno seit jeher interessieren; um Mord und Fleischeslust. In den historischen Welten des Wolf Serno leben Puppenkönige, Zahnbrecher und Balsamträger; Menschen, die Knobelsdorf, Pausback oder Vitus von Campodios heißen. Gute Namen sind wichtig, weiß Serno - auch das ein Überbleibsel aus Werbe(r)zeiten. Ausgeschlossen, dass so jemand seinen Hund Fifi nennt. Sernos Hunde, die wollknäuelgleich durchs Wohnzimmer hüpfen und Besucher stürmisch begrüßen, heißen Eddi, Sumo und Buschmann. Dem Mopstrio und seiner Frau, die als Richterin arbeitet, widmet der Autor all seine Bücher: Für mein Rudel.

Das Rudel (ohne Ehefrau!) schließt sich gerne an, wenn Serno sich morgens zum Arbeiten in sein Gartenhäuschen zurückzieht, seine "Dichterklause", in der auf 7,5 Quadratmetern Telefon, Computer und eine Couch Platz finden. "7,58 Quadratmeter, um genau zu sein", sagt der Besitzer.

Serno ist nicht nur Herr süffiger, praller Geschichten, sondern genauso ein Mann der Zahlen und Fakten. "Jäger und Sammler" nennt er sich; einen Autor, der viel in Bibliotheken arbeitet, Wissen anhäuft, bevor er mit dem Schreiben beginnt.

Ist es so weit, mischt er munter Fakt und Fiktion (im Verhältnis 40 zu 60 Prozent), Dichtung und Wahrheit; heraus kommen historische Krimis wie "Tod im Apothekenhaus" oder aktuell "Die Liebe des Wanderchirurgen". Der Leser solle, sagt Serno, am Ende nicht mehr wissen, was ausgedacht und was wahr ist. Am Ende bedeutet in der Regel: nach rund 600 Seiten. Anscheinend müssen historische Romane ziegelsteindick sein, das macht das Leserlebnis für die Anhänger erst komplett.

Wolf Serno benötigt die vielen Seiten, um Bilder für Geschehnisse aus einer unbekannten Zeit im Leserkopf zu erzeugen; um eine Idee so zu entfalten, dass sie den nötigen "Flow" entwickelt. Und eine gute Idee - die hat Serno schon in seinem früheren Job als Werbetexter immer gleich erkannt.

Wolf Serno liest am 30.10. aus "Die Liebe des Wanderchirurgen" im Speicherstadtmuseum (St. Annenufer 2). Beginn: 19.30 Uhr, Eintritt: 9,50 Euro

Sernos neuer Roman "Die Liebe des Wanderchirurgen" ist bei Knaur erschienen. Er kostet 9,95 Euro.