Im neuen Konzerthaus ist der große Saal auf Kiel gelegt, der kleine bereits geschlossen - der imposante Bau kommt gut voran.

Hamburg. Je höher der Philharmonie-Bau in den Himmel über Hamburg wächst, desto komfortabler kommt man nach oben. Inzwischen bringt ein interner Fahrstuhl Arbeiter und Neugierige bis in den 8. Stock, auf die Plaza, die den Abschluss des alten Kaispeichers A bildet und den Beginn der kühnen Stahl-Glas-Beton-Aufstockung, in der einmal Konzertsäle, Hotels, Büros und Wohnungen Platz finden. Beide Bauteile werden durch die Versorgungs-, Treppen- und Aufzugsschächte miteinander verbunden - und durch schräg stehende runde Säulen, die den gewaltigen Druck des Aufbaus genau dorthin und nach unten ableiten, wo die Gründung besonders verstärkt wurde.

Ein geradezu künstlerisch wirkendes Bauteil ist die frei geschwungene Treppe, die die Besucher hinauf zum Eingang des zweiten, mittleren Konzertsaals führt - eine elegante offene Schnecke, die einen einladenden Blick nach oben freigibt und die Zuhörer dezent lenkt.

Der zweite Saal ist längst überdacht und geschlossen. Im Augenblick steht dort ein bühnenartig wirkender Aufbau von metallenen Stützelementen, bis die Deckenträger komplett eingezogen sind. Auch im zehnten Stock kann man das Bauwerk entlang der Außenkante umrunden - noch. Irgendwann werden hier nach Westen hin die Büros der Philharmonie-Verwaltung entstehen; das des Generalintendanten an der südwestlichen Ecke hat einen großartigen und inspirierenden Blick flussabwärts und über den Hafen. Auf der östlichen Seite werden Hotelzimmer entstehen, die nicht minder blickbegünstigt sind. Noch zwei Stockwerke darüber - fast 45 Meter über der Elbe - ist langsam die "Schüssel" zu erkennen, in die der große Konzertsaal eingepasst wird. Schon zu erkennen: die Beton-Gründung für das Prunkstück, die in etwa einem gerade auf Kiel gelegten Schiffsneubau ähnelt: ein langer Kiel, und etliche nach oben gerundete Spanten, die nun doppelt beplankt und mit Beton ausgegossen werden. Nirgendwo ist ein rechter Winkel zu sehen, alles wirkt elegant geformt, gebogen, gekrümmt. Die Bauzeichnungen, nach denen der Stahl geflochten wird, sehen aus wie Flugkarten in ein unbekanntes Land. Beim Hotel hinter dem großen Saal ist der Bau im 14. Stock angekommen, an der Spitze schon bei Etage 16.

Auf der Betongründung des Saals wird bald - frei schwingend gelagert auf 250 stählernen Federkissen mit je sechs bis acht Spiralfedern, die insgesamt 12 500 Tonnen des Konzertsaals tragen - die innere Hülle des Konzertsaals wachsen. Sie wird oben noch einmal von etwa 90 Federpaketen abgefedert und ist mit dieser Lagerung akustisch praktisch abgekoppelt vom Rest des Gebäudes. Auch beim kleinen Saal wurde dieses Bauprinzip angewendet; hier trennt an manchen Stellen nur ein Spalt von zwei Zentimetern die Außen- und die Innenhülle. An anderen Stellen kann man die Feder-Burger in Augenschein nehmen: Dort ruhen schon die Stahlträger auf den Sixpacks, sorgsam eingehüllt von kräftigen Gummimanschetten. So baut man sonst bei Industrieanlagen, die erschütterungsfrei sein müssen.

Nicholas Lyons, Herzog&De-Meuron-Architekt, muss ein bisschen nachdenken über die Antwort auf die Frage, was denn die kritischste Bauphase der Elbphilharmonie sei. Dann sagt er: "Der Übergang im 13. Stock, genau hier, wo der große Saal schräg über den kleinen hinüberragt und die beiden verbunden werden. Das war eine echte Herausforderung. Danach wird alles vergleichsweise einfach." Das könnte man bei gutem Wetter so interpretieren: "Das Schwerste ist geschafft." Lyons winkt ab: "Es gibt noch vieles, was uns Kopfzerbrechen macht. Aber nichts, was nicht zu schaffen ist."

Im Augenblick liegen sie gut im Zeitplan, ununterbrochen dröhnen Baufahrzeuge die Spiralrampe des Parkhauses nach oben, bringen Material-Nachschub. Die ganze Logistikfrage wird noch einmal verschärft, wenn die Arbeiten an der Sandtorhafen-Klappbrücke beginnen, die höhergelegt werden muss, um die Straße auf das Niveau der Philharmonie- und Hotel-Einfahrt zu bringen. Dann werden alle Lastwagen und Zulieferer über den Kaiserkai an- und abfahren. Und es muss funktionieren, denn oben wird in gewaltigem Tempo gebaut und ausgebaut. Viel Zeit bleibt den Arbeitern nicht, die Aussicht zu genießen. Wer als Besucher kommt, kann sich schon jetzt gar nicht satt sehen - besser kann man die Stadt nicht im Blick haben.