Wer auf YouTube den Namen Sarah Brightman eintippt, erhält einen Wimpernschlag später eine opulente Liste mit Videos der Sopranistin. Der Clou: Für die Filmchen, die häufig eine ansprechende audiovisuelle Qualität haben, zahlt der Nutzer keinen Cent.

Das bringt nicht nur Brightman in Harnisch. Seit Jahren schäumen Musiker, Autoren, Produzenten und Musikverlage, die sich um die Früchte ihrer Arbeit geprellt und ihre Urheberrechte verletzt fühlen. Der Hamburger Rechtsanwalt Jens Schippmann, der bereits Brightmans Produzenten Frank Peterson in einem zivilrechtlichen Musterverfahren vor dem Hamburger Landgericht vertritt, hat jetzt Strafanzeige gegen YouTube und dessen Mutterkonzern Google gestellt. "Auslöser war das dreiste Vorgehen von YouTube, Musik unangefragt zu nutzen und die Rechteinhaber zur eigenen Beseitigung des Schadens aufzufordern", sagte Schippmann dem Abendblatt.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft habe ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts von Urheberrechtsverletzungen eröffnet, bestätigte Behördensprecher Wilhelm Möllers. "Es liegt ein Anfangsverdacht vor." Vor allem gehe es darum, ob die beschuldigten Unternehmen geschützte Werke schon beim Hochladen identifizieren können. Verstöße gegen das Urheberrecht sind strafbar und können mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe geahndet werden. Jedoch werden solche Strafverfahren meist dazu benutzt, zusätzliche Beweise für ein Zivilverfahren zu sammeln.

Google wies die Anschuldigungen umgehend zurück. YouTube arbeite "mit vielen Tausend Rechteinhabern auf der ganzen Welt eng zusammen, um zu gewährleisten, dass diese ihre Urheberrechte auf unserer Videoplattform durchsetzen können. Dazu haben wir Tools entwickelt, die weit über das hinausgehen, was rechtlich erforderlich ist", sagt YouTube-Sprecher Henning Dorstewitz. Schippmann wiederum beanstandet die Funktionalität und die Effizienz von bestimmten Anwendungen zum Aussortieren von illegalen Videos. Es sei kaum möglich, Tausende von Videos manuell zu löschen, während auf YouTube parallel dieselben Videos illegal hochgeladen würden.

Hatte Peterson bisher allein gegen Google gekämpft, so schlossen sich der Strafanzeige nun rund 20 Künstler und Produzenten an, u. a. Toni Cottura und der Wolfsheim-Gründer Markus Reinhardt. Die Anzeigenerstatter repräsentierten mehr als 1,5 Milliarden Abspielvorgänge (Streams) auf YouTube. Ein Cent pro abgespieltem Stream hatte die Verwertungsgesellschaft Gema gefordert - Peterson hält den Betrag für lausig. Während in den USA die "Major Labels" Millionen-Geschäfte mit Google/YouTube abgeschlossen hätten, müssten sich deutsche Musiker mit Brosamen abspeisen lassen - wenn sie überhaupt etwas bekommen.

Ob es zur Anklage oder einem Gerichtsverfahren kommt, sei "völlig offen", sagt Oberstaatsanwalt Möllers.

Sollte die Staatsanwaltschaft US-Rechtshilfe beantragen und Daten aus den USA erhalten, könnten auch jene zur Rechenschaft gezogen werden, die die Inhalte illegal hochladen. Schippmann: "Uns geht es nicht darum, dass man die Kleinen hängt und die Großen laufen lässt."