In der neuen Donna-Leon-Bestseller-Verfilmung geht der venezianische Ermittler wieder zwischen Lagunen und alten Palazzi auf Gaunerjagd.

Commissario Brunetti ist zurück: Diesmal muss der melancholische Kommissar den Tod eines Fabrikanten von Muranoglas klären. "Wie durch ein dunkles Glas" ist bereits Kockischs elfter Einsatz für das Erste.

Abendblatt: Herr Kockisch, seit 2003 spielen Sie den Commissario Brunetti. Was mögen Sie nach elf Einsätzen als venezianischer Ermittler an ihm?

Uwe Kockisch: Brunetti ist eine sehr angenehme Figur, ich mag vor allem seine Gelassenheit. Er ist ein Kämpferherz, kommt jedoch nicht auf lauten Stiefeln an. Ich habe die Romane damals, als mir die Rolle angeboten wurde, ja gar nicht gekannt, aber meine Mutter sagte mir: "Ach, das ist so toll" - und hat mir gleich mal die Bücher in die Hand gedrückt. Als ich dann beim Lesen gemerkt habe, dass Donna Leon die Figur nutzt, um sich über gesellschaftliche Themen zu äußern, und dass sich das in vielen Fällen auch mit meiner eigenen Meinung deckt, fand ich das sehr spannend.

Abendblatt: Brunetti steht politisch links, oder?

Kockisch: Ja, Brunetti ist links. Wenn er in einer anderen Stadt ermitteln würde, hätte er eine völlig andere Wirkung, aber in der unglaublichen Kulisse von Venedig funktionieren seine Ansichten über Macht, Adel und Reichtum als Gegengewicht zu den schönen Bildern.

Abendblatt: Was haben Sie an der Figur geändert, seit Sie die Rolle des Commissario Brunetti von Ihrem Vorgänger Joachim Król übernommen haben?

Kockisch: Am Anfang bin ich mit viel mehr Energie als heute reingegangen, weil ich mich da unbedingt reinfinden wollte - die anderen hatten ja schon vier Fälle Vorsprung. Aber dann ging es relativ einfach, und ich denke, dass ich ihn jetzt ganz gut kenne. Ich mag, dass er gelassener geworden ist, und ich mag, dass die Filme eher leise als laut sind, dass es kaum äußere Gewalt gibt und die Handlung nicht so an der Oberfläche spielt, sondern dass es tiefer reingeht. Man muss natürlich aufpassen, dass man die Spannung hält, aber ich glaube, da gibt es keine Gefahr.

Abendblatt: Kommt die künstlerische Herausforderung nicht irgendwann zu kurz? So eine Rolle muss doch irgendwann Routine werden.

Kockisch: Nein, dafür werde ich ja bezahlt, dass genau das nicht passiert. Ich muss bei jedem Film nach einer neuen Facette von Brunetti suchen und mir überlegen, wie ich ihn anpacke. Das ist manchmal schon schwer, das stimmt. Man muss aufpassen, dass sich nichts wiederholt und wir die Zuschauer nicht langweilen, aber da arbeiten wir alle dran. Ich halte ihn wach, das verspreche ich.

Abendblatt: Im Sommer haben Sie den Film "Die Grenze" gedreht, in dem die Mauer wieder aufgebaut wird, in der ARD-Miniserie "Weißensee" spielen Sie wie schon in "Der Tunnel" einen Stasi-Offizier. Suchen Sie sich absichtlich solche deutsch-deutschen Stoffe aus?

Kockisch: Ich hab mich auch schon gefragt, ob ich jetzt Spezialist für Ostthemen werde, aber es ist wirklich reiner Zufall. Sehen Sie, ob eine Figur Major bei der NVA oder der Staatssicherheit ist - das ist für mich nur eine Berufsbezeichnung. Es geht um etwas anderes. Der Konflikt in "Weißensee" erinnert zum Beispiel an Shakespeare: Der älteste Sohn kämpft um die Liebe seines Vaters, den ich spiele, der Alte wendet sich aber dem jüngeren Sohn zu, obwohl der eine Liebesbeziehung hat, die verboten ist. Das ist klassisches Drama. Dass die alle drei bei der Stasi sind, interessiert mich nicht vorrangig, das könnte auch CIA oder KGB sein, völlig egal.

Abendblatt: Der Verdacht liegt aber nahe, dass Sie in solchen Rollen Erfahrungen aus Ihrer Vergangenheit in der DDR verarbeiten: Sie saßen kurz nach dem Mauerbau nach einem gescheiterten Fluchtversuch in den Westen im Gefängnis.

Kockisch: Der Kameramann bei "Weißensee" hat mich neulich auch gefragt, ob ich in der Rolle als Stasi-Mann jetzt mal so richtig Gas gebe und den in die Pfanne haue. Aber wenn ich das mache, ist es ja keine Figur mehr, sondern ein Klischee. Ich will jede Figur, die ich spiele, ob Stasi oder nicht, verteidigen. Natürlich erinnere ich mich an viele Dinge von damals. Aber nachtreten, was soll das? Da übersäuert man nur, körperlich und seelisch. In der Haft habe ich in einem Jahr im Schnelltempo begriffen, wie Menschen in solchen Sondersituationen reagieren. Das waren großartige Beobachtungen, die keine Schauspielschule vermitteln kann.