Der Rockpoet und Punkliterat erzählt in “Der Tod des Bunny Munro“ von der Büßerfahrt eines Erotomanen. Musikalisch schwelgt Nick Cave in Westernwelten.

Hamburg. Wenn Nick Cave seinen zweiten Roman fertigstellt, kann man einiges befürchten. Und tatsächlich erzählt dieser Punk- und Rockengel der seelischen Abgründe in "Der Tod des Bunny Munro" von der Höllenfahrt eines charakterlosen, sexbesessenen Trinkers. Fast scheint es, als würde Cave, dessen Heroin-Exzesse viele Jahre zurückliegen, diese wilde Lebensphase nun literarisch verarbeiten.

Seit einigen Jahren jedenfalls lebt der gebürtige Australier brav und bürgerlich mit Frau und zwei Kindern im südenglischen Brighton. Die am Ende oft als reine Alkoholikertruppe verschriene Band The Bad Seeds liegt auf Eis. Stattdessen hat Cave sich mit dem Musiker Warren Ellis der eleganten Kunst der Filmmusik zugewandt.

Nicht für irgendwelche Filme, sondern für raue, dunkle Streifen des Westerngenres. Geschichten über Männer, die ohne Gnade und Einsicht töten und am Ende ihr Leben im Staub verlieren. "The Proposition" von John Hillcoat war 2005 der erste. Zwei Jahre später folgte Andrew Dominiks "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford". Minimalistisch mit Streichern und Piano instrumentiert wehte es da apokalyptisch von der Leinwand. Zu finden sind diese Melodien neben noch unveröffentlichtem Filmmaterial auf dem äußerst hörenswerten Doppelalbum "White Lunar".

"Proposition"-Regisseur Hillcott war es auch, der Cave die Idee zu seinem neuen Roman lieferte, den er selbst verfilmen will. In "Der Tod des Bunny Munro" sendet Cave einen erotomanischen Kosmetikvertreter, der mit Whiskey und Tabletten zum Frühstück gurgelt, auf einen Trip ins Verderben. Auslöser ist der Selbstmord der unglücklichen Ehefrau. Es wird - mit seinem neunjährigem Sohn - eine endgültige Reise zu schäbigen Hotels und Fast-Food-Läden, mitten in die Hölle. Auf Munro warten schmerzende Geschlechtsteile - und ein gebrochenes Nasenbein.

Selbstreflexion oder gar Läuterung sucht man bei dem von vornherein Verlorenen vergebens, worüber die Lektüre ein wenig zäh gerät. Dafür serviert das Buch eine Menge knallhartes Männerpathos. Bunny Munros selektive Wahrnehmung umfasst "Grüppchen von Schulmädels mit Scherenbeinen und gepierctem Nabel, Joggerinnen mit allen möglichen Logos, die freudigen Hinterbacken von Hundebesitzerinnen, Pärchen, die es auf dem Sommerrasen treiben, scharfe Strandmuschis unter erotischen Kumulusrundungen, Unmengen von Mädchen, die nur das eine wollen".

Am 17. Oktober präsentiert die Underground-Legende den Roman auf Kampnagel und musiziert mit Warren Ellis. Sein langjähriger Bad-Seeds-Gitarrist Blixa Bargeld liest die deutsche Übersetzung. Anders als bei dem von kryptischen Bibelanspielungen strotzenden Vorgänger "Und die Eselin sah den Engel", den Cave vor 20 Jahren veröffentlichte, erinnert das Ganze stilistisch an Hunter S. Thompsons Drogenodyssee "Angst und Schrecken in Las Vegas".

Der Punkveteran räumt ein, sich diesem Monster Munro insofern nahe zu fühlen, als dass er als kreativer Mensch egoistisch abstrakte Ideen verfolge. Auch solidarisiert er sich freimütig mit dessen sexualisierter Weltsicht. Dabei erinnert gerade sie in ihrer Besessenheit oft unfreiwillig komisch an Auswüchse der 60er- oder 70er-Jahre. Für allzu deftige Sexfantasien seines Protagonisten mit den Popsternchen Kylie Minogue und Avril Lavigne entschuldigt sich der Autor immerhin in der Widmung. Allein die schier unerschütterliche Liebe des Bunny Junior zu seinem verkommenen Vater schafft am Ende versöhnliche Momente der Zärtlichkeit. Und letztlich doch einen Funken Hoffnung auf Erlösung. Extrem unterhaltsam ist das Ganze dennoch. Ein authentisches Stück Punkliteratur.

An Evening of Reading, Music and Conversation with Nick Cave mit Warren Ellis und Blixa Bargeld, 17.10., 20 Uhr, Kampnagel, Jarrestr. 20-24, "Der Tod des Bunny Munro" (Kiwi), "White Lunar" (Mute/EMI, Karten u. a. in HA-Ticketcentern unter T. 30 30 98 98