Lange galt “La Bella Principessa“ als Werk eines unbedeutenden deutschen Malers. Modernste Technik hat jetzt da Vinci als Urheber ausgemacht.

Hamburg. Er erscheint uns so rätselhaft wie keine andere Persönlichkeit der europäischen Kunstgeschichte und auch 490 Jahre nach seinem Tod ist Leonardo da Vinci immer wieder für Schlagzeilen gut. Erst Mitte Februar gab der Leonardo-Experte Alessandro Vezzosi, der Direktor des Museo Ideale Leonardo da Vinci im toskanischen Geburtsort des Universalgelehrten und Kunstgenies, das spektakuläre Auftauchen eines bislang unbekannten Selbstporträts bekannt. Und nun melden Kunsthistoriker aus dem kanadischen Toronto, dass es sich bei "La Bella Principessa" nicht, wie bislang vermutet, um das relativ belanglose Gemälde eines deutschen Malers des 19. Jahrhunderts, sondern um ein eigenhändiges Werk des großen Italieners handelt.

Für die Kunsthistorikerszene, vor allem aber auch für den Kunstmarkt ist das eine Sensation. Sollte die Zuschreibung tatsächlich Bestand haben, würde das eine schier unglaubliche Wertsteigerung nach sich ziehen und sowohl für Begeisterung als auch Ernüchterung sorgen. Ernüchtert dürfte die New Yorker Kunstsammlerin Kate Ganz sein, die das Bild elf Jahre lang besessen und erst vor zwei Jahren für umgerechnet lächerliche 12 800 Euro verkauft hat. Dafür dürfte ein unbekannter Schweizer Privatsammler, für den der kanadische Kunstexperte Peter Silverman das Werk erworben hat, sein Glück kaum fassen: Ein Londoner Kunsthändler, der auf Malerei und Grafik des 16. Jahrhunderts spezialisiert ist, schätzt den Wert nämlich auf etwa 106 Millionen Euro. Der glückliche Besitzer, das gab Silverman gestern vergnügt zu Protokoll, sei "ein reicher Mann, der mir Lunch, Dinner und Kaviar für den Rest meines Lebens versprochen hat

Und die Chancen, dass es sich in der Tat um ein unbekanntes Leonardo-Gemälde handelt, stehen recht gut, auch wenn es für den Laien unverständlich erscheint, dass hochkarätige Kunsthistoriker darüber streiten, ob es sich um ein Werk aus dem 16. oder 19. Jahrhundert handelt. Bei Zuschreibungen und Altersbestimmungen gehen Kunsthistoriker zunächst von Stilvergleichen aus, doch gerade im 19. Jahrhundert gab es zahlreiche handwerklich exzellente Künstler, die den Duktus von Renaissancezeichnungen und -gemälden perfekt beherrschten. Sicherer als das Einschätzungsvermögen von Stilexperten sind daher wissenschaftliche Analysemethoden, mit denen u. a. die Materialität des Bildträgers sowie des Farbauftrags untersucht werden kann.

Schon vor zwei Jahren hatte Nicholas Turner, ein renommierter Renaissance-Experte, der sowohl für das Britische Museum als auch für das Getty-Museum in Los Angeles als Kurator tätig war, die Ansicht geäußert, dass es sich bei "La Bella Principessa" um ein Werk von Leonardo handeln könnte. Um Klarheit zu gewinnen, ließ der neue Besitzer vor einiger Zeit in einem Pariser Speziallabor Untersuchungen machen. Dabei wurde mit Hilfe der Radiokarbonmethode und Infrarottechnik ein Fingerabdruck sichtbar, der ein halbes Jahrtausend alt sein dürfte - Leonardos Fingerabdruck. Zu diesem sensationellen Ergebnis kam der Gerichtsmediziner Peter Paul Biro, der den sichtbar gewordenen Befund mit den Abdrücken eines Zeige- und eines Mittelfingers verglich, die auf dem Leonardo-Gemälde "Der heilige Hieronymus" aus den vatikanischen Sammlungen gesichert worden waren. Nach Biros Meinung besteht eine eindeutige Übereinstimmung.

Für Spurensicherer ist Leonardo ein idealer Verdächtiger, denn auf vielen seiner Gemälde und Zeichnungen lassen sich mit modernen Analysemethoden Fingerabdrücke sichern. Experten wissen, dass dies mit seiner akribischen Arbeitsweise zu tun hat. "Leonardo hat seine Hände reichlich und oft als Teil seiner Maltechnik eingesetzt", sagt Peter Paul Biro, dem es dank dieser Arbeitsweise jetzt offenbar gelungen ist, ein weiteres Rätsel dieses rätselhaften Meisters der europäischen Kunstgeschichte zu lüften.