Max Volkert Martens und Mirco Reseg brillieren als Rivalen in Fred Berndts präziser “Enigma“-Inszenierung.

Hamburg. Enigma bedeutet Rätsel. Éric-Emmanuel Schmitt bietet im gleichnamigen Stück, das am Donnerstag im Ernst-Deutsch-Theater Premiere hatte, ein pointiertes Sprach- und Versteckspiel, das den Zuschauer mit geistreichen Bonmots und überraschenden Wendungen bei Laune und in Spannung hält. Die Wortgefechte zwischen dem älteren selbstgefälligen Literaturnobelpreisträger Abel Znorko (Max Volkert Martens) und dem jüngeren Journalisten Erik Larsen (Mirco Reseg) auf einer einsamen Insel hat der französische Erfolgsautor kunstvoll konstruiert.

Doch er lässt das Hase-und-Jäger-Spiel intelligent und raffiniert auf mehreren Ebenen laufen: Rivalen um die von beiden geliebte Frau treffen aufeinander. Zwei Schauspieler, der Protagonist und die "Nebenfigur", liefern sich ein effektvolles Rampenduell in 14 "Runden" - nach der Kompositionsstruktur von Edward Elgars "Enigma-Variationen", die auch in der Handlung eine Rolle spielen. Und schließlich geht es um Lüge und Wahrheit, Fiktion und Wirklichkeit in der Literatur. Denn Abel ist mit seinem letzten Buch, einem Briefroman, ein hochgelobter Bestseller gelungen, dessen Wirklichkeitsgehalt er vehement abstreitet: "Ich bin ein Fälscher und liefere Kunstgriffe." Wie recht er damit behalten soll, allerdings in anderem Sinn, ahnt der Autor noch nicht.

Schon in seinem Bühnenraum mit dem stimmungsvoll wechselnden Wolkenpanorama markiert Regisseur Fred Berndt symbolisch die konträren Brennpunkte für das Spiel. Um den Kamin sind Holzscheite geschichtet, um das Klavier türmen sich Bücherstapel. Hier die Natur und das Feuer des Lebens, der Liebe und Leidenschaft. Da der Geist, die Kunst von Musik und Dichtung.

Zwei Schüsse fallen. Journalist Erik rennt auf die Bühne, bringt sich in Sicherheit. Gastgeber Abel erscheint, die Kapuze über der welligen Künstlermähne - wie eine drohende Todesfigur. Das "Interview" und die Suche nach der Wahrheit können beginnen - nicht ohne weitere Knalleffekte, die nicht verraten werden sollen.

Arrogant, selbstgefällig und verletzend tritt der Schriftsteller von Martens auf, demütigt den Jüngeren. "Sie haben Gefühl und sind für sich selbst eine Gefahr", verhöhnt Abel den blonden harmlos wirkenden Durchschnittstypen. Aber die Ausgangsposition - Genie gegen Idiot - wechselt rasch. Der schwitzende Tollpatsch, der nervös Flaschen umwirft und von der Sitzbank kippt, entpuppt sich als ebenbürtiger Gegner und Bühnenpartner für Martens: Wer "Comedian" Mirco Reseg aus der Sat.1-Serie "Sechserpack" beobachtet, wie er stumm auf Abels geschliffene Tiraden und Spott reagiert, ahnt nichts Gutes. Da liefern sich zwei glänzende Charakterdarsteller ein fieses Doppelspiel und versuchen sich mit unerwarteten Tiefschlägen außer Gefecht zu setzen.

Wie ein Schachspieler inszeniert Berndt präzise durchdacht und treffsicher Zug um Gegenzug das Ringen der beiden Männer um die sie verbindende Vergangenheit und die Liebe zur Frau, die sie beide lieben. Sexualität um den Preis der Einsamkeit bedeutet für Abel die Liebe, für Erik Sorge und Mitleid. Wenn der Zuschauer auch erfährt, was die beiden Feinde verbindet, muss er mit ihnen erkennen: Man weiß nie genau, wen man liebt oder wen man vor sich hat. Schmitt gibt dafür ein Bei-Spiel voller Esprit und Eleganz. Und beweist: Den Reiz von Liebe und Leben macht aus, dass beides uns letztlich ein Rätsel bleibt.

Enigma bis 8.11., Ernst-Deutsch-Theater, Karten T. 22 70 14 20.