Wer “Waldi“ sagt, kann nur Hartmann meinen. Der TV-Moderator hat sich das Solo-Programm “Born to be Waldi“ auf den Leib geschrieben.

Abendblatt: Der Untertitel Ihres Solo-Programms lautet "30 Jahre in der Anstalt". Haben Sie die ohne öffentlich-rechtliche Spätfolgen an Leib und Seele überstanden?

Waldemar Hartmann: Das öffentlich-rechtliche Fernsehen ist ein Hort, ein sicherer Hort, sicherer als bei den Privaten. Allerdings ist es auch ein Tummelplatz für verschiedenste Charaktere ...

Abendblatt: ... und nicht alle sind sozialkompatibel ...

Hartmann: Natürlich finden dort viele Eitelkeiten statt. Aber das lässt mit der Zeit im Tagesgeschäft nach. Ich spüre jedenfalls noch nicht solche Folgen, die mir zu einer Flucht raten. Noch bin ich mittendrin, und das mit großer Wollust. Die Spätfolgen sind in erster Linie positive, weil sie eine Menge Erfahrung enthalten, wobei auch Überlebenskämpfe dazugehören. Ich lag ja schon dreimal in der Aussegnungshalle der ARD. Die haben nur den Deckel nicht zugemacht, deswegen bin ich wieder da.

Abendblatt: Eine Nachrichtensendung des Bayerischen Rundfunks (BR) aufzuzeichnen, damit man mit den lieben Kollegen zum Feiern aufs Oktoberfest kann, wie Sie es sich erlaubt haben, das ist allerdings schon starker Tobak.

Hartmann: Da haben alle dichtgehalten, das war das Gute daran. Als ich das meinem damaligen Chef zehn Jahre später erzählt hab, hätte er mich am liebsten sofort rausgeworfen. Doch an der Geschichte waren mindestens 50 Leute beteiligt gewesen.

Abendblatt: Sie haben sich beim BR auch einen Sportler namens Chaba Chablusa ausgedacht, der durch etliche Disziplinen geisterte. Kam Ihnen nie der Gedanke, dass Sie in der Abteilung Fiktion besser aufgehoben wären?

Hartmann: Nee (lacht) . Ich mache jetzt mein Bühnenprogramm, und das macht mir sehr großen Spaß, weil ich den direkten Kontakt mit meinem Publikum habe. Ein Stück Motivation war sicher auch die Art und Weise des Abgangs beim BR, so nach dem Motto: Ich zeig's dir.

Abendblatt: Apropos dir: Ihnen wird ja gern der Drang zum Duzen Ihrer Interviewpartner vorgeworfen - dabei ist Rolf Töpperwien vom ZDF viel schlimmer.

Hartmann: Über Herrn Töpperwien oder andere Kollegen werde ich jetzt nichts sagen. Ich sage dafür eben zum gefühlt tausendsten Mal: Ein ehrliches Du ist mir lieber als ein geheucheltes Sie. Manche Kollegen meinen, durch besonders nassforsche, kantige und aggressive Fragen toll dazustehen. Sie stehen in der Redaktionssitzung danach toll da, aber nicht bei den Leuten zu Hause. Die Sendung mache ich ja nicht für mein Poesiealbum, sondern für die Zuschauer.

Abendblatt: Fühlen Sie sich bei der ARD insgesamt gut aufgehoben?

Hartmann: Ich hab dort lange ruhig und unangegriffen arbeiten können. Scharmützel mit einzelnen Personen hat es gegeben ...

Abendblatt: ... mit BR-Fernsehdirektor Gerhard Fuchs beispielsweise, der Sie im Januar aus dem "Sonntags-Stammtisch" warf.

Hartmann: Na ja, früher in der Sportdirektorenkonferenz waren Jürgen Emig vom HR und Wilfried Mohren vom MDR (die beiden wurden wegen Bestechlichkeit bzw. Betrugs verurteilt, d. Redaktion) meine Hauptkontrahenten.

Abendblatt: Sie sitzen jetzt also ruhig am Fluss und sehen die Leichen Ihrer Feinde vorbeitreiben.

Hartmann: Berufliche Leichen möglicherweise ... Ich wusste jedenfalls, warum ich nicht mit denen auskomme. Aber das wollte damals keiner hören.

Abendblatt: Was müsste bei der ARD passieren, damit Sie wieder Ihren Frieden mit ihr machen?

Hartmann: Dann müsste es ja Krieg geben. Meine Sendungen nach den Länderspielen sind der ARD-Programmdirektion unterstellt und werden vom BR betreut. Den Boxvertrag habe ich mit dem MDR ...

Abendblatt: ... in der Chemie heißt so etwas wie Sie freies Radikal ...

Hartmann: So etwas würde ich eher zur Bekämpfung meines mittleren Körperrings einsetzen. Ich hatte ein Problem mit dem BR-Fernsehdirektor. Jetzt hab ich keins mehr.

Abendblatt: Gibt es in der ARD nichts, was Sie noch gereizt hätte?

Hartmann: Nein, ganz ehrlich. Wie brisant ist es denn, vor dem Spiel und in der Halbzeit mit Hansi Flick und nach dem Spiel mit Joachim Löw ein Interview zu führen? Mit Franz, Berti oder Ribbeck hab ich ja noch kämpfen dürfen. Jetzt ist das alles ja eher geglättet. Ich kann "Waldis Club" mit Gästen nach meinem Gusto besetzen und hab eine halbe Stunde Spaß. Da kann ich mit denen so reden, wie ich in der Kneipe reden würde, und bekomme auch noch Geld dafür.

Abendblatt: Momentan sieht die Karriere früherer Sidekicks von Harald Schmidt so aus: Hin zu Sat.1, Showtreppe, eigene Show. Ärgert Sie das, dass ausgerechnet der Pocher schneller war als Sie?

Hartmann: Was ist denn aus Andrack geworden oder aus Feuerstein? Sie nehmen jetzt einen Einzelfall und machen einen Pauschalplural daraus.

Abendblatt: Mag sein, aber würde Sie das reizen?

Hartmann: Wenn ich mir das Elend anschaue, das gerade mit neuen Formaten passiert, da bleib ich lieber bei meinen Leisten. Meine Fallhöhe ist ja auch ziemlich hoch. Wenn ich da scheitern würde, das wäre für viele ein großer Spaß. Das muss ich mir nicht mehr gönnen.

Abendblatt: Mit Fallhöhe sind wir beim Theater. Wie viele Jahre waren Sie beim BR?

Hartmann: 32.

Abendblatt: Laut Woody Allen ist Tragödie Komödie plus Zeit. Was sagt Ihnen das jetzt?

Hartmann: Nicht viel, weil es überwiegend schöne Jahre waren. Mein Leben fand ja nicht mit den Hierarchen statt, sondern mit den Kollegen. 31 von 32 Jahren waren sehr schön.

Abendblatt: Im Untertitel von "Born to be Waldi" werden auch "Geschichten, die ich nie erzählen durfte" versprochen. Mussten Sie sich im Fernsehen mäßigen?

Hartmann: Nein, da sind ja auch Geschichten dabei, die vor 20, 25 Jahren passiert sind, die kann man jetzt alle erzählen.

Abendblatt: Die "FR" hat für Sie die Formulierung "intellektueller Bankrott" verwendet. Für so viel Gratis-Werbung kann man sich nur bedanken, oder?

Hartmann: Ich kenne schmerzfreie Menschen, aber ich bin so nicht. Über diesen Artikel hatte der Autor geschrieben: "Eine Polemik", und da hat mein Anwalt nur gemeint: keine Chance.

Abendblatt: Harald Schmidt ist mitverantwortlich für Ihr Bühnendebüt. Er meinte, Sie sollten einfach Ihre Hotelbar-Geschichten vor Publikum erzählen. Sicher, dass das kein Witz war?

Hartmann: Wir haben eine so sehr gefühlte Freundschaft - ich bin mir sicher, dass er mich nicht so ins Messer laufen gelassen hätte.

Abendblatt: Ist Ihr Bühnen-Programm noch so sehr BR, dass es auf dieser Seite des Weißwurst-Äquators Untertitel braucht?

Hartmann: Das werde ich möglicherweise am Anfang sagen: Wenn jemand seine Fernbedienung dabei hat, kann er jetzt die Videotext-Seite 150 anwählen.

Abendblatt: An einer Stelle in Ihrem Buch zur Show bringen Sie die Pointe: "Wenn Kreditkarten Beine bekommen, dann meistens schöne, lange." Wie viel Dresche haben Sie dafür von Ihrer Frau bekommen?

Hartmann: Keine, weil ich eine sehr vernünftige Frau habe, die auch den Sinn des Programms kennt.

Abendblatt: Und der ungemein subtile chauvinistische Unterton?

Hartmann: Sie können das gern Macho nennen. Auch da hab ich zu Hause meine beste Verteidigerin, die sagt: "Ich hätte dich nicht geheiratet, wenn du kein Mann wärst."

Abendblatt: Hat Ihnen Schmidt Ratschläge gegeben, wie es ist, ein Bühnen-Publikum erst von sich überzeugen zu müssen?

Hartmann: Damit hat er ja große Erfahrung - er sagte, ich hab auch schon vor 30 Leuten gespielt, und das haben mir ganz viele andere genauso erzählt. Michael Mittermaier hatte mich nach der Münchner Premiere gefragt, wie's war, ich meinte, alles prima, Standing Ovations, tolle Kritiken - außer von der "Süddeutschen Zeitung". Da antwortete er nur: Du musst dich entscheiden, entweder ein volles Haus oder eine gute "SZ"-Kritik.

Abendblatt: Ihnen ist das volle Haus natürlich wichtiger.

Hartmann: Ja klar, ist doch besser als was zum Abheften.

Abendblatt: Da Harald Schmidt gerade mit einem "Hamlet"-Musical aus Stuttgart am Schauspielhaus gastierte - spüren Sie eine späte Schauspielerkarriere in sich?

Hartmann: Ganz sicher nicht. Harald hat das ja richtig gelernt. Als er beim Nachmachen vom Intendanten in der Theater-Kantine so großen Erfolg hatte, kam er auf die Idee, ins Kabarett zu gehen. Ich hab viel zu viel Achtung vor dem Schauspieler-Beruf. Ich glaub, ich kann ganz gut erzählen, aber schauspielern ... Gut, eine Gastrolle auf dem "Traumschiff" ...

Abendblatt: ... das sind auch keine Schauspieler, die da anheuern ...

Hartmann: Das sagen Sie denen mal. (feixt)

Abendblatt: Sie meinten, man müsse leicht exhibitionistisch veranlagt sein für die Arbeit vor der Kamera. Können Sie sich ein Leben ohne Publikum vorstellen?

Hartmann: Ja, absolut. Harald meinte auf die Frage, wie lang er seinen Job noch machen wolle: So lang, bis mich keine Sau mehr sehen will, und dann noch zehn Jahre. Das ist nicht mein Fall. Meine Planung ist: EM 2012 und Olympia in London mit "Waldi und Harry" - das wär für mich so der Tag, um mal zu fragen, was man noch so mit mir vorhat. Oder eben nicht.

Abendblatt: Und dann zum Abschluss eine Stadionrunde mit der bayerischen Landesfahne?

Hartmann: Nee. Ich würde aber auch nicht durch den Hinterausgang gehen, den der BR angeboten hat. Eher mit einem schönen Fest, ohne Kompromisseinladungen.

Abendblatt: Dann wären's vielleicht nicht viele Gäste.

Hartmann: Kann sein. Aber mehr als einen wirklichen Freund hat man am Ende der Rechnung wohl kaum.

Abendblatt: Sie gelten als Kultmoderator. Von der Kultfigur Harald Schmidt stammt der Satz: "Kult ist man, wenn man keine Zuschauer mehr hat." Kein schönes Omen für Ihr Hamburger Bühnen-Debüt.

Hartmann: Der kann sich so was leisten. Der hat ein volles Konto.