“Die schöne Magelone“ mit Thomas Quasthoff, Brigitte Fassbaender und Helmut Deutsch am 7. Oktober in der Laeiszhalle.

Hamburg. Thomas Quasthoff gehört zu jenen Menschen, die man am besten durch Zuhören zum Reden bringt. Und wenn er spricht, ist man sowieso lieber still, denn erstens ist auch die Sprechstimme dieses Sängers derart melodiös, dass sie wie Musik in den Ohren klingt. Und zweitens reicht Quasthoffs aktiver Wortschatz ein Vielfaches über das hinaus, womit der gemeine Musiker auskommt. "Ich bin eloquent", sagt Quasthoff. "Und ich bin ein großer Freund der deutschen Sprache."

In einem Konzertreigen namens "Stimmwelten" möchte Quasthoff in den kommenden Monaten in Hamburg einige Facetten seiner vielschichtigen Musikerpersönlichkeit zum Leuchten bringen - Lied, Kirchenmusik, Volkslied und Jazz. "Mein gesanglicher Weg verlief immer in weit gespannten Bahnen", formuliert er. "Ich habe nie eine reine klassische Sängerkarriere angestrebt." Als Contergankind von klein auf zu 100 Prozent körperbehindert, führte Quasthoffs Weg zur Musik über administrative Hindernisse, die in der Seele des sonst so gelassen, ja abgeklärt wirkenden Künstlers einen Bodensatz an Bitterkeit hinterlassen haben. Da er ohne Arme geboren wurde, konnte er an der Musikhochschule neben Gesang kein Instrument studieren. Das aber schrieb die Studienordnung damals vor, und so blieb dem eminent begabten Sänger eine akademische Ausbildung verwehrt. Heute ist er selbst Professor - an der Hochschule für Musik Hanns Eisler Berlin. Auf Lebenszeit.

Quasthoff ist noch 49, aber schon Wochen vor dem runden Geburtstag am 9. November beginnt er manchen Satz mit: "Jetzt mit 50 ..." Jetzt mit 50 muss er sich nichts mehr beweisen. Jetzt mit 50 hat er seinen Kalender radikal reduziert - von bislang 85 auf 40 bis 45 Konzerte. Jetzt mit 50 hat er als Konzertsänger mit allen bedeutenden Dirigenten gearbeitet und alles von der musikalischen Welt gesehen, das sich zu sehen lohnt. Und jetzt mit 50 steckt man den Jetlag nicht mehr so weg wie früher. "Ich kann mir aussuchen, was ich machen will. Eine h-Moll-Messe, wo ich zwei Arien zu singen habe, mit einem mittelmäßigen Dirigenten? Muss ich nicht mehr."

Quasthoffs innere Ruhe verdankt sich nicht nur der Reife seines Alters. Er hat vor vier Jahren geheiratet, trägt seither Mitverantwortung für eine inzwischen zehnjährige Tochter und bezeichnet die Ehe als "angenehmstes und schönstes Geschenk" seines Lebens. Klatschreporter hält er daraus fern, eine große Zeitschrift, die ihm mal dämlich kam, kriegt nie wieder ein Interview von ihm. Zur Vermeidung eines Auftritts auf dem roten Teppich nimmt Quasthoff schon mal den Umweg über die Tiefgarage. Und fotografieren darf ihn auch nicht jeder.

Seine Studenten will Thomas Quasthoff für eine Symbiose aus Farben und Textgestaltung begeistern. "Viele Sänger scheitern daran, ihre Technik auf ein Musikstück zu übertragen", sagt der leidenschaftliche Pädagoge. "Wenn Musik einstudiert wirkt, finde ich das unspannend. Musik muss so klingen, als entstünde sie im Moment." Das Leichte, das so schwer zu machen ist: Quasthoff kann das. Wenn er seinen wunderbar körperreichen Bassbariton in Schwingung versetzt, klingt die Musik zugleich natürlich und emotional tief. Die Stimme ist nicht so lyrisch fein und hauchzart, wie es die Fischer-Dieskau-Schule verlangt, aber Thomas Quasthoff würde sie nicht anders wollen, selbst wenn das physiologisch ginge: "Ich wollte immer ganz meinen Weg gehen." Deshalb scheut sich der große Künstler auch nicht vor den Niederungen der gehobenen Unterhaltung; deshalb hat er Lust, auf einem Abend mit Max Raabe mal zu zeigen, dass selbst das Musikantenstadl gute Volkslieder nicht ruinieren kann. Ach ja: Jetzt, mit 50, klingt seine Stimme nicht mehr so wie mit 25. Thomas Quasthoff weist vorsorglich schon mal selbst darauf hin.